Gefangene helfen Jugendlichen: Wie Ex-Häftlinge junge Menschen vor der Kriminalität bewahren

Inmitten der pulsierenden Metropole Hamburg existiert ein Verein, der einen unkonventionellen und zugleich wirkungsvollen Ansatz in der Kriminalprävention verfolgt: „Gefangene helfen Jugendlichen e.V.“ (GhJ). Seit seiner Gründung im Jahr 1999 setzt sich der Verein dafür ein, gefährdete Jugendliche vor einem Abgleiten in die Kriminalität zu bewahren, indem er sie mit den realen Erfahrungen von (ehemaligen) Inhaftierten konfrontiert. Gleichzeitig unterstützt GhJ Strafgefangene bei ihrer Resozialisierung und Wiedereingliederung in die Gesellschaft.

Das Problem: Jugendkriminalität und ihre Folgen

Jugendkriminalität stellt in vielen Großstädten ein ernstzunehmendes Problem dar. Laut dem Bundeskriminalamt wurden im Jahr 2019 über 2 Millionen Straftaten registriert, wobei rund 430.000 Tatverdächtige jünger als 21 Jahre waren. Diese Zahlen verdeutlichen die Notwendigkeit präventiver Maßnahmen, um junge Menschen von einer kriminellen Laufbahn abzuhalten. Häufig mangelt es diesen Jugendlichen an positiven Vorbildern und einem Bewusstsein für die Konsequenzen ihres Handelns.

Die Entstehung von GhJ: Eine Initiative aus dem Gefängnis

Die Idee zu „Gefangene helfen Jugendlichen“ entstand 1996 innerhalb der Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel, auch bekannt als „Santa Fu“. Drei Inhaftierte entwickelten das Konzept, gefährdete Jugendliche durch direkte Begegnungen mit dem Gefängnisalltag und den Lebensgeschichten der Insassen vor einer kriminellen Karriere zu bewahren. 1999 wurde der Verein offiziell gegründet und erhielt 2005 die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe, was die Beantragung von Fördermitteln erleichterte. Heute hat GhJ seinen Hauptsitz in der Wandsbeker Königstraße 50 in Hamburg und ist in mehreren deutschen Städten aktiv, darunter Bremen, Hannover und Berlin.

Die Projekte: Prävention durch Konfrontation

GhJ verfolgt einen einzigartigen Ansatz in der Kriminal- und Gewaltprävention, indem er ehemalige Häftlinge und aktuell einsitzende Straftäter einsetzt, um Jugendlichen die Folgen von Straftaten und Gewalt aufzuzeigen. Dieser direkte Austausch ermöglicht es, auf Augenhöhe zu kommunizieren und authentische Einblicke in die Konsequenzen kriminellen Verhaltens zu geben.

JVA-Besuche

Ein zentrales Projekt von Gefangene helfen Jugendlichen sind die Besuche von Jugendlichen in Justizvollzugsanstalten. Dabei erleben die Teilnehmer den Gefängnisalltag hautnah: von der Leibesvisitation über den Aufenthalt in einer Zelle bis hin zu Gesprächen mit Inhaftierten. Diese Erfahrungen sollen abschreckend wirken und den Jugendlichen die Realität des Strafvollzugs vor Augen führen. Ein Beispiel hierfür ist ein Projekttag mit Schülern der Stadtteilschule Bramfeld, bei dem die Jugendlichen für einen Tag Schule gegen Knast tauschten und so einen tiefen Einblick in das Leben hinter Gittern erhielten. Fink Hamburg

Anti-Gewalt-Training und Suchtprävention

Neben den JVA-Besuchen bietet Gefangene helfen Jugendlichen Anti-Gewalt-Trainings an, bei denen ehemalige Häftlinge ihre Biografien teilen und über die Folgen von Gewalt sprechen. Ziel ist es, die Empathiefähigkeit der Jugendlichen zu stärken und alternative Konfliktlösungsstrategien aufzuzeigen. In der Suchtprävention berichten ehemals Suchterkrankte über ihre Erfahrungen und den Einfluss von Drogen auf ihr Leben, um die Jugendlichen für die Gefahren des Drogenkonsums zu sensibilisieren.

Pädagogisches Boxen und Cybermobbing-Aufklärung

Ein weiteres innovatives Angebot ist das pädagogische Boxen, bei dem Jugendliche durch den Boxsport Disziplin, Respekt und Selbstkontrolle erlernen. Zudem klärt GhJ über die Gefahren von Cybermobbing auf und zeigt Strategien zur Prävention und zum Umgang mit digitalen Angriffen.

Erfolgreiche Umsetzung: Faktenbasierte Ergebnisse

Die Arbeit von Gefangene helfen Jugendlichen zeigt messbare Erfolge. Laut internen Evaluationsberichten konnte bei vielen teilnehmenden Jugendlichen eine Verhaltensänderung festgestellt werden. So gaben zahlreiche Teilnehmer nach den Projekten an, ihr eigenes Verhalten kritisch zu reflektieren und sich der Konsequenzen kriminellen Handelns bewusster zu sein. Ein Beispiel hierfür ist ein Jugendlicher, der nach einem JVA-Besuch sagte: „Hier möchte ich nicht landen.“ Fink Hamburg

Auch für die Inhaftierten bietet die Mitarbeit bei GhJ Vorteile. Durch die aktive Teilnahme an den Projekten übernehmen sie Verantwortung und leisten einen Beitrag zur Gesellschaft, was sich positiv auf ihre Resozialisierung auswirkt. Die Möglichkeit, ihre eigenen Fehler aufzuarbeiten und anderen als warnendes Beispiel zu dienen, stärkt ihr Selbstwertgefühl und fördert die Wiedereingliederung in die Gesellschaft.

Fazit: Ein Modell mit Vorbildcharakter

„Gefangene helfen Jugendlichen e.V.“ zeigt eindrucksvoll, wie durch unkonventionelle Ansätze in der Kriminalprävention nachhaltige Erfolge erzielt werden können. Die direkte Konfrontation gefährdeter Jugendlicher mit den realen Konsequenzen kriminellen Handelns und die Einbindung von (ehemaligen) Inhaftierten schaffen eine authentische und wirkungsvolle Präventionsarbeit. Dieses Modell könnte auch in anderen Städten und Ländern als Vorbild dienen, um Jugendkriminalität effektiv zu bekämpfen und gleichzeitig die Resozialisierung von Strafgefangenen zu fördern.

Quellen

  • Gefangene helfen Jugendlichen e.V. (GhJ): Kriminalprävention für Jugendliche. Verfügbar unter: https://ghj.social/
  • Gefangene helfen Jugendlichen: Ein Tag in der JVA.

 

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