Hoffnung und Halt: Wie AMSOC e. V. Kinder psychisch kranker Eltern eine Zukunft schenkt

Das verborgene Leid der Kinder psychisch kranker Eltern

Wenn Eltern psychisch erkranken, bleibt das oft im Verborgenen. Die Auswirkungen auf die Familie – und insbesondere auf die Kinder – sind jedoch gravierend. In Deutschland leben schätzungsweise drei bis vier Millionen Kinder mit mindestens einem psychisch erkrankten Elternteil (Deegener, 2023). Diese Kinder tragen eine doppelte Last: Sie erleben oft emotionale Vernachlässigung, Unsicherheit und soziale Isolation. Gleichzeitig wird ihnen früh Verantwortung aufgebürdet, wenn sie etwa die Rolle eines „Ersatz-Elternteils“ übernehmen müssen.

Die psychische Gesundheit dieser Kinder ist gefährdet. Studien zeigen, dass sie ein deutlich erhöhtes Risiko haben, selbst zu erkranken – Depressionen, Angststörungen und posttraumatische Belastungsstörungen sind keine Seltenheit (Fauth et al., 2018). Hinzu kommt die soziale Stigmatisierung psychischer Erkrankungen, die es den betroffenen Familien erschwert, Hilfe zu suchen.

Hier setzt ein Problem an, das weit über das Familiensystem hinausreicht: Wie kann eine Gesellschaft diese Kinder schützen und ihnen eine stabile, gesunde Entwicklung ermöglichen?

Die Lösung: AMSOC e. V. und das Konzept der ehrenamtlichen Patenschaften

Eine Antwort auf diese drängende Frage hat der Berliner Verein AMSOC e. V. (Arbeitskreis für sozialpädagogische Familienhilfe und Soziale Arbeit mit psychisch kranken Menschen) gefunden. Seit seiner Gründung im Jahr 2005 verfolgt der gemeinnützige Verein ein innovatives Konzept: die Vermittlung und Begleitung ehrenamtlicher Patenschaften für Kinder psychisch kranker Eltern.

Die Anfänge: Visionen und Engagement

AMSOC e. V. wurde von einem Team erfahrener Sozialpädagogen und Psychologen ins Leben gerufen, die die Lücke zwischen klassischen sozialen Hilfsangeboten und den Bedürfnissen betroffener Kinder schließen wollten. Der Verein ist als eingetragener Verein organisiert und finanziert sich aus Spenden, Fördergeldern und staatlichen Zuschüssen. Mit Sitz in Berlin begann AMSOC e. V. zunächst klein, doch schnell wurde deutlich, dass das Konzept nicht nur wirksam, sondern auch übertragbar ist.

Heute zählt der Verein mehr als 50 aktive ehrenamtliche Patenschaften und hat über 300 Kinder unterstützt. Sein Modell wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem von der Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung.

Wie funktioniert das Konzept?

Der Kern des Programms besteht darin, langfristige, stabile Beziehungen zwischen Kindern und ehrenamtlichen Patenschaften aufzubauen. Die Patenschaften werden sorgfältig ausgewählt und in einem umfassenden Schulungsprogramm auf ihre Rolle vorbereitet. Diese Schulung umfasst sowohl psychologische Grundlagen als auch praktische Unterstützung im Umgang mit den Kindern.

Die Patenschaften treffen sich regelmäßig mit den Kindern – meist wöchentlich – und bieten ihnen eine verlässliche Bezugsperson außerhalb des familiären Systems. Gemeinsam unternehmen sie Freizeitaktivitäten, erledigen Hausaufgaben oder sprechen einfach über Sorgen und Ängste.

Das Ziel ist klar: Die Kinder sollen erfahren, dass sie nicht allein sind, und ein Gefühl von Sicherheit und Normalität entwickeln. Gleichzeitig werden die Eltern durch sozialpädagogische Begleitung entlastet, wodurch die familiäre Stabilität gefördert wird.

Erfolgsbeispiele: Geschichten, die Hoffnung machen

AMSOC e. V. hat in fast zwei Jahrzehnten zahlreiche Erfolgsgeschichten geschrieben. Eine davon ist die von Lisa, einer heute 16-jährigen Schülerin. Lisas Mutter litt jahrelang an einer schweren Depression und konnte ihre Tochter kaum emotional unterstützen. Mit sieben Jahren bekam Lisa eine Patin, Sabine, die ihr bis heute zur Seite steht.

„Sabine hat mir geholfen, an mich zu glauben. Mit ihr konnte ich über Dinge reden, die ich zu Hause nicht ansprechen konnte,“ erzählt Lisa. Sabine wiederum sagt: „Ich habe durch Lisa so viel zurückbekommen. Es ist eine Bereicherung, sie auf ihrem Weg zu begleiten.“

Eine wissenschaftliche Begleitung des Projekts zeigt, dass Kinder wie Lisa von den Patenschaften enorm profitieren: Ihre Resilienz – also die Fähigkeit, mit schwierigen Lebenssituationen umzugehen – steigt signifikant. Auch die Eltern berichten, dass sie durch die Entlastung in der Lage sind, sich besser um ihre Genesung zu kümmern (Meyer et al., 2021).

Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Wirkung

Die Arbeit von AMSOC e. V. hat nicht nur unmittelbare Effekte auf die betroffenen Kinder und Familien. Sie trägt auch dazu bei, psychische Erkrankungen in der Gesellschaft zu enttabuisieren.

„Unser Ziel ist es, nicht nur Hilfe anzubieten, sondern auch ein Bewusstsein zu schaffen,“ erklärt eine Sprecherin des Vereins. „Psychische Erkrankungen dürfen kein Tabuthema sein – weder in Familien noch in der Gesellschaft.“

Das Modell von AMSOC e. V. dient mittlerweile deutschlandweit als Vorbild. In Städten wie Hamburg und München wurden ähnliche Programme ins Leben gerufen, die die Grundidee aufgreifen und an lokale Bedürfnisse anpassen.

Ein Präventionsmodell mit Zukunft

Das Engagement von AMSOC e. V. zeigt, dass innovative soziale Ansätze langfristig wirken können. Die Kombination aus ehrenamtlichem Engagement, professioneller Begleitung und einer klaren Vision macht das Konzept so erfolgreich.

Angesichts der steigenden Zahl psychisch erkrankter Eltern ist es dringend notwendig, solche präventiven Ansätze weiter zu fördern und auszubauen. AMSOC e. V. hat bewiesen, dass mit vergleichsweise geringen Mitteln eine große Wirkung erzielt werden kann – für die betroffenen Kinder psychisch kranker Eltern, ihre Familien und die Gesellschaft insgesamt.

 

Quellen

  • AMSOC e. V. (2024). Patenschaften für Kinder psychisch erkrankter Eltern. Verfügbar unter: https://www.amsoc-patenschaften.de
  • Deegener, H. (2023). Kinder psychisch kranker Eltern – Belastungen und Unterstützungsmöglichkeiten. Springer Verlag.
  • Fauth, T., Plass-Christl, A., & Christiansen, H. (2018). Mental health outcomes in children with parents affected by depression or bipolar disorder. Journal of Child Psychology and Psychiatry.
  • Meyer, A., Weber, K., & Schmidt, L. (2021). Evaluation von Patenschaftsprogrammen für Kinder psychisch erkrankter Eltern. Deutsches Ärzteblatt.

 

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