Eine Stadt im Wandel: Warum Hamburg neue Lösungen braucht
Hamburg ist eine Stadt der Kontraste. Auf der einen Seite stehen die glitzernden Neubauten der Hafencity, auf der anderen die Sorgen vieler Bürger die von steigenden Mieten und dem Verlust sozialer Strukturen betroffen sind. Besonders in Stadtteilen wie St. Pauli, wo urbane Gentrifizierung seit Jahren ein Thema ist, spitzt sich die Lage zu. Der Stadtteil, einst ein Symbol für kulturelle Vielfalt und Lebendigkeit, droht immer mehr zu einem Spielplatz für Wohlhabende zu werden.
Lange wurden städtebauliche Entscheidungen ohne oder nur mit geringer Beteiligung der Anwohner getroffen. Dies führte nicht selten zu Spannungen, Protesten und einer zunehmenden Entfremdung zwischen Bevölkerung und Stadtpolitik. Genau hier setzt das Projekt PlanBude an. Es steht für eine neue Art der Stadtentwicklung, bei der die Anwohner aktiv in die Planung einbezogen werden – mit dem Ziel, Quartiere sozial gerechter und lebenswerter zu gestalten.
Die Idee hinter PlanBude Hamburg: Stadtentwicklung von unten
PlanBude Hamburg ist kein gewöhnliches Stadtplanungsbüro. Gegründet wurde das Projekt im Jahr 2014 von einem interdisziplinären Team aus Architekt, Stadtplaner, Künstler und Aktivist. Ziel war es, die Bewohner von St. Pauli und anderen Hamburger Stadtteilen aktiv in die Gestaltung ihrer Quartiere einzubeziehen. Statt klassische Top-down-Entscheidungen durchzusetzen, verfolgt PlanBude einen basisdemokratischen Ansatz.
Organisiert ist PlanBude als gemeinnütziger Verein, der eng mit der Stadt Hamburg zusammenarbeitet. Seine Mitglieder kommen aus unterschiedlichen Hintergründen – von erfahrenen Stadtplaner bis hin zu Menschen, die zuvor in sozialen Initiativen aktiv waren. Heute zählt die Organisation etwa 15 feste Mitglieder und zahlreiche Ehrenamtliche, die sich für eine sozial gerechte Stadtentwicklung einsetzen.
Ein zentrales Anliegen von PlanBude Hamburg ist es, benachteiligte Bevölkerungsgruppen zu erreichen. Dazu zählen Mieter in prekären Wohnverhältnissen, Migrant und ältere Menschen, die häufig keine Stimme in städtebaulichen Prozessen haben. Die Methode: niedrigschwellige Beteiligungsangebote, kreative Workshops und offene Sprechstunden. Durch diese Form der Partizipation sollen alle – unabhängig von Bildung, Einkommen oder Herkunft – die Möglichkeit erhalten, ihre Ideen und Wünsche für die Zukunft ihrer Nachbarschaft einzubringen.
Das erste große Projekt: Die Esso-Häuser als Wendepunkt
Eines der bekanntesten Projekte von PlanBude Hamburg ist die Neugestaltung der sogenannten Esso-Häuser, eines Gebäudekomplexes auf der Reeperbahn. Die maroden Wohn- und Gewerbebauten wurden 2013 nach langen Protesten abgerissen. Für viele war dies ein Symbol für den Verlust von bezahlbarem Wohnraum und kultureller Vielfalt auf St. Pauli. Doch die Geschichte der Esso-Häuser nahm eine unerwartete Wendung. Statt die Flächen ausschließlich für teure Neubauten zu nutzen, entschied sich die Stadt Hamburg, PlanBude mit der Planung zu beauftragen. In monatelangen Workshops und Gesprächen wurden die Wünsche und Bedürfnisse der Anwohner gesammelt. Dabei kamen über 2.000 Ideen zusammen – ein beispielloser Erfolg für ein partizipatives Projekt.
Am Ende entstand ein Konzept, das sich stark an den Vorstellungen der Bewohner orientierte: etwa 50 Prozent sozialer Wohnungsbau, Räume für kulturelle und soziale Einrichtungen sowie die Verpflichtung, Gewerbeflächen an lokale Betreiber zu vergeben. Heute gelten die neuen Esso-Häuser als Vorzeigebeispiel für eine gelungene Kombination aus sozialer Verantwortung und moderner Architektur.
Was macht PlanBude erfolgreich?
Der Erfolg von PlanBude Hamburg liegt in seiner unkonventionellen Herangehensweise. Anders als klassische Planungsbüros setzt das Projekt auf kreative Methoden, um Menschen zu erreichen, die sich sonst nicht in Planungsprozesse einbringen. Ein Beispiel sind sogenannte „Zukunftswerkstätten“, bei denen die Teilnehmenden ihre Visionen mit Modellen, Zeichnungen oder Geschichten darstellen können. Diese niederschwellige Herangehensweise schafft Vertrauen und bringt oft überraschend innovative Ergebnisse.
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die enge Zusammenarbeit mit anderen Initiativen und lokalen Akteuren. PlanBude Hamburg versteht sich nicht als isolierte Organisation, sondern als Teil eines größeren Netzwerks, das für eine sozial gerechte Stadtentwicklung kämpft. Dadurch gelingt es, eine breite Akzeptanz für die vorgeschlagenen Maßnahmen zu schaffen. Auch die Transparenz spielt eine zentrale Rolle. Alle Ergebnisse der Beteiligungsprozesse werden öffentlich gemacht, und die Anwohner können jederzeit nachverfolgen, wie ihre Ideen in die Planung einfließen. Dieser Ansatz hat dazu geführt, dass PlanBude nicht nur in Hamburg, sondern auch überregional Anerkennung gefunden hat.
Herausforderungen und Grenzen
Trotz seines Erfolgs steht PlanBude Hamburg vor erheblichen Herausforderungen. Einer der größten Kritikpunkte ist, dass die Umsetzung der Vorschläge oft an bürokratischen Hürden oder fehlenden finanziellen Mitteln scheitert. Außerdem stellt sich die Frage, inwieweit der Ansatz auf andere Stadtteile oder Städte übertragbar ist, da er stark von der lokalen Situation und dem Engagement der Bewohner abhängt.
Ein weiteres Problem ist die wachsende Erwartungshaltung. Nach dem Erfolg der Esso-Häuser wird PlanBude Hamburg häufig als Lösung für alle Probleme der Stadtentwicklung betrachtet. Doch auch das Team selbst betont, dass partizipative Prozesse keine Wunderwaffe sind. Sie können die bestehenden Machtverhältnisse und ökonomischen Zwänge nur bedingt beeinflussen.
Eine Vision für die Zukunft
Trotz dieser Schwierigkeiten bleibt PlanBude ein Leuchtturmprojekt für partizipative Stadtentwicklung. Es zeigt, dass es möglich ist, soziale Gerechtigkeit und urbane Entwicklung miteinander zu verbinden, wenn die Menschen vor Ort in den Mittelpunkt gestellt werden. Der Erfolg der Esso-Häuser ist dabei nicht nur ein Gewinn für die Bewohner von St. Pauli, sondern ein Signal für andere Städte, mutigere und inklusivere Wege zu gehen.
Die Gründer von PlanBude betonen, dass ihr Modell keine Patentlösung ist, sondern eine Einladung zum Experimentieren. Ihr Ziel ist es, die Idee einer „Stadt für alle“ weiter voranzutreiben – eine Vision, die angesichts wachsender sozialer Ungleichheit in deutschen Städten mehr denn je von Bedeutung ist.
Quellenangaben
- PlanBude Hamburg. https://www.planbude.de
- Hamburg.de: Informationen zur Esso-Häuser-Neugestaltung. https://www.hamburg.de
- Spiegel Online: Proteste und Bürgerbeteiligung in Hamburg. https://www.spiegel.de
- Bauwelt: Partizipation im Städtebau. https://www.bauwelt.de
Guteideen.org – Gute Ideen helfen, wo vielleicht die Bürokratie nicht selbst weiterkommt.