Einleitung
In den Straßen Berlins leben zahlreiche Menschen ohne festen Wohnsitz. Ihre täglichen Herausforderungen sind vielfältig: von der Suche nach Nahrung und Unterkunft bis hin zur Bewältigung sozialer Isolation. Ein Aspekt, der oft übersehen wird, ist der eingeschränkte Zugang zu Bildung. Hier setzt die Obdachlosen-Uni Berlin an – ein innovatives Projekt, das Bildung für alle zugänglich machen möchte.
Das Problem: Bildungslosigkeit unter Obdachlosen
Obdachlosigkeit ist nicht nur ein Mangel an Wohnraum, sondern oft auch ein Mangel an Chancen. Viele obdachlose Menschen haben keinen Zugang zu Bildungseinrichtungen, sei es aufgrund finanzieller Hürden, sozialer Ausgrenzung oder fehlender Informationen. Dieser Bildungsdefizit erschwert es ihnen, aus der Obdachlosigkeit herauszufinden und sich in die Gesellschaft zu reintegrieren.
Die Lösung: Die Entstehung der Obdachlosen-Uni Berlin
Im Jahr 2011 gründete Maik Eimertenbrink die Obdachlosen-Uni Berlin. Inspiriert von ähnlichen Projekten in Österreich, insbesondere der MegaphonUni in Graz, wollte Eimertenbrink eine Plattform schaffen, die obdachlosen Menschen den Zugang zu Bildung ermöglicht. Unterstützt wurde das Projekt von Partnern wie dem Verband für sozial-kulturelle Arbeit und der MUT GmbH für Gesundheit.
Die Obdachlosen-Uni ist keine traditionelle Universität mit festem Campus. Stattdessen handelt es sich um eine mobile Bildungseinrichtung, die ihre Kurse direkt in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe anbietet. Dies senkt die Hemmschwelle für die Teilnehmenden und ermöglicht es ihnen, in ihrer vertrauten Umgebung zu lernen.
Angebote und Struktur der Organisation:
Das Kursangebot der Obdachlosen-Uni ist vielfältig und orientiert sich an den Interessen und Bedürfnissen der Teilnehmenden. Es umfasst:
- Alltagskompetenzen: Kochkurse, PC-Seminare und Englischunterricht helfen den Teilnehmenden, praktische Fähigkeiten zu erwerben, die im täglichen Leben nützlich sind.
- Kreative Workshops: Theatergruppen, Musikkurse und Fotografie-Workshops fördern die kreative Ausdrucksfähigkeit und stärken das Selbstbewusstsein.
- Akademische Seminare: Philosophie- und Geschichtskurse bieten den Teilnehmenden die Möglichkeit, sich mit geisteswissenschaftlichen Themen auseinanderzusetzen und ihr Wissen zu erweitern.
Besonders bemerkenswert ist, dass einige Kurse von den Obdachlosen selbst geleitet werden. Ehemalige Reiseleiter bieten beispielsweise Länderkunde an, während andere ihre Erfahrungen in Vorträgen teilen. Diese Peer-to-Peer-Ansätze fördern das Selbstwertgefühl und die Eigeninitiative der Teilnehmenden.
Erfolgreiche Projekte und Anekdoten
Ein herausragendes Beispiel für die Wirkung der Obdachlosen-Uni ist die Geschichte von Klaus Seilwinder. Der ehemalige Obdachlose nahm an mehreren Kursen teil und leitete schließlich selbst Workshops, in denen er seine Erfahrungen teilte und anderen den Weg aus der Obdachlosigkeit aufzeigte. Durch seine Teilnahme fand er nicht nur zurück in ein geregeltes Leben, sondern wurde auch zu einem Vorbild für andere.
Ein weiteres erfolgreiches Projekt war der Theaterworkshop im April 2019, der in Zusammenarbeit mit Studierenden der Katholischen Hochschule für Sozialwesen durchgeführt wurde. Die Teilnehmenden entwickelten gemeinsam ein Theaterstück, das ihre Lebensgeschichten und Erfahrungen widerspiegelte. Diese kreative Auseinandersetzung förderte nicht nur den Zusammenhalt, sondern gab den Teilnehmenden auch eine Stimme, um ihre Geschichten der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Herausforderungen und Weiterentwicklung
Trotz der Erfolge steht die Organisation vor Herausforderungen. Die Finanzierung ist oft unsicher, da das Projekt hauptsächlich auf Spenden und ehrenamtliches Engagement angewiesen ist. Zudem erfordert die Organisation der mobilen Kurse eine flexible Logistik und kontinuierliche Abstimmung mit den Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe.
Dennoch zeigt die Obdachlosen-Uni, dass Bildung ein Schlüssel zur Integration und Selbstermächtigung sein kann. Durch den niederschwelligen Zugang und die partizipative Struktur bietet sie obdachlosen Menschen die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten zu entdecken und zu entfalten.
Fazit
Die Obdachlosen-Uni Berlin ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie Bildung Barrieren überwinden und Menschen neue Perspektiven eröffnen kann. Sie zeigt, dass jeder Mensch, unabhängig von seinem sozialen Status, das Recht auf Bildung und persönliche Weiterentwicklung hat. Durch Projekte wie dieses wird deutlich, dass gesellschaftliche Teilhabe und Integration möglich sind, wenn wir gemeinsam daran arbeiten, Chancen für alle zu schaffen.
Quellen
- Eimertenbrink, M. (2011). Obdachlosen-Uni Berlin. Ein Bildungs- und Partizipationsprojekt für Obdachlose in Berlin. [Online] Verfügbar unter: https://www.gebewo.de/images/pdf/obdachlosenuni/maik-eimertenbrink-broschuere-obdachlosenuni-2011-1.pdf
- Reichlin, M. (2015). Bildung für sozial Benachteiligte – Über die Obdachlosen-Uni in Berlin. [Online] Verfügbar unter: https://uni.de/redaktion/die-obdachlosen-uni-berlin
- RESET. (2012). Obdachlosen-Uni in Berlin – Und was unterrichtest Du? [Online] Verfügbar unter: https://reset.org/obdachlosen-uni-berlin-und-was-unterrichtest-du/
- Berliner Ratschlag für Demokratie. (2018). Obdachlosen-Uni Berlin. [Online] Verfügbar unter: https://www.berlinerratschlagfuerdemokratie.de/projekte/obdachlosen-uni-berlin/
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