Soziale Innovationen als Antwort auf drängende Herausforderungen
Unsere Welt steht vor einer Vielzahl drängender Probleme: Die Klimakrise, soziale Ungleichheit und die Ausbeutung von Ressourcen sind nur einige davon. Unternehmen und Wirtschaftsmodelle, die auf maximale Profite abzielen, verstärken diese Herausforderungen häufig noch. Klassische Marktmechanismen allein scheinen oft unzureichend, um Lösungen für globale Probleme zu bieten.
Doch es gibt Alternativen: Gemeinwohlorientierte Unternehmen und soziale Innovationen, die nicht allein auf Gewinne ausgerichtet sind, sondern die Verbesserung gesellschaftlicher Bedingungen als Kernziel haben. Diese Organisationen setzen sich für fairere Lieferketten, umweltfreundlichere Produktionsprozesse und inklusive Arbeitsplätze ein – und schaffen dabei echte Wirkung.
Die Bundesregierung hat diesen Ansatz nun systematisch aufgegriffen. Mit der kürzlich verabschiedeten Nationalen Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen will sie ein Umfeld schaffen, in dem solche Initiativen wachsen und florieren können.
Die Probleme: Von Umweltzerstörung bis sozialer Ausgrenzung
Die Notwendigkeit, wirtschaftliche Ansätze neu zu denken, wird täglich spürbarer. Globale Lieferketten sind oft geprägt von unfairen Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit und mangelndem Umweltschutz. Gleichzeitig bleibt in vielen Regionen die soziale Teilhabe auf der Strecke: Menschen mit Behinderungen, Langzeitarbeitslose oder Migrant*innen haben oft Schwierigkeiten, Arbeit zu finden, während Unternehmen Fachkräftemangel beklagen.
Ein weiteres Problem ist die Ressourcenverschwendung. Die Wegwerfgesellschaft führt zu immer mehr Müll und schadet nicht nur der Umwelt, sondern auch den sozialen Strukturen in ärmeren Ländern, die häufig als Müllkippen für Industriestaaten herhalten müssen. Die gängigen Marktstrukturen setzen Anreize, die diese Probleme verstärken, statt sie zu lösen.
Die Lösung: Gemeinwohlorientierte Unternehmen als Vorreiter
Genau hier setzen gemeinwohlorientierte Unternehmen an. Ihre Geschäftspraktiken zielen darauf ab, ökonomische, ökologische und soziale Ziele miteinander zu verbinden. Das bedeutet: Gewinne sind nicht das Hauptziel, sondern ein Mittel, um gesellschaftliche Probleme zu lösen.
Ein herausragendes Beispiel ist das Unternehmen AfB gGmbH (Arbeit für Menschen mit Behinderung). Als eines der führenden sozialen Unternehmen Europas arbeitet es daran, ausgemusterte IT-Geräte von Unternehmen wieder aufzubereiten und erneut in den Markt einzuführen. Damit verbindet AfB mehrere Vorteile: Es reduziert Elektroschrott, spart Ressourcen und bietet gleichzeitig Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen.
Gegründet wurde AfB 2004 von Paul Cvilak. Die gemeinnützige GmbH beschäftigt mittlerweile über 600 Mitarbeitende, von denen rund 45 Prozent eine Behinderung haben. Das Unternehmen ist ein Paradebeispiel dafür, wie soziale und ökologische Ziele erfolgreich kombiniert werden können. AfB hat über die Jahre gezeigt, dass Gemeinwohlorientierung nicht nur idealistisch, sondern auch wirtschaftlich erfolgreich sein kann.
Auch Start-ups setzen zunehmend auf gemeinwohlorientierte Ansätze. Ein prominentes Beispiel ist Too Good To Go, ein Unternehmen, das sich dem Kampf gegen Lebensmittelverschwendung verschrieben hat. Über eine App können Kund*innen überschüssiges Essen von Restaurants und Supermärkten zu vergünstigten Preisen erwerben. Gegründet 2015 in Dänemark, hat sich das Unternehmen zu einer globalen Bewegung entwickelt.
Die Nationale Strategie: Was plant die Bundesregierung?
Die Nationale Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen wurde im Oktober 2023 verabschiedet. Sie hat das Ziel, soziale und gemeinwohlorientierte Unternehmen stärker zu fördern und ihnen den Zugang zu Finanzmitteln und Netzwerken zu erleichtern. Die Strategie umfasst vier zentrale Bereiche:
- Förderung der Sichtbarkeit
Soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen sollen stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden. Hierzu plant die Bundesregierung eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und die Einführung eines Siegels für sozial-innovative Geschäftsmodelle. - Finanzielle Unterstützung
Eines der größten Hindernisse für diese Unternehmen ist die Finanzierung. Viele Banken und Investoren scheuen das Engagement, da der Fokus auf Gemeinwohl und Nachhaltigkeit zunächst weniger profitabel erscheint. Die Strategie setzt hier auf spezielle Förderprogramme und die Einbindung sozialer Investoren. - Vernetzung und Wissenstransfer
Soziale Innovationen entstehen oft in kleinen Initiativen, die voneinander lernen können. Die Regierung plant, Plattformen und Netzwerke zu schaffen, über die solche Unternehmen Best Practices austauschen und sich gegenseitig unterstützen können. - Rechtliche Rahmenbedingungen
Viele gemeinwohlorientierte Unternehmen arbeiten in einem Graubereich zwischen gemeinnütziger Organisation und klassischer GmbH. Die Strategie sieht vor, spezifische Rechtsformen und steuerliche Erleichterungen zu schaffen, um diesen Unternehmen das Wachstum zu erleichtern.
Erfolgreiche Projekte: Inspiration für die Zukunft
Dass diese Strategie funktionieren kann, zeigen zahlreiche Beispiele, nicht nur aus Deutschland. In Österreich ist etwa das Unternehmen Sonnentor bekannt, das Bio-Kräuter und -Gewürze in enger Zusammenarbeit mit regionalen Kleinbauern anbaut. Die Gründer, Johannes Gutmann, hatte von Anfang an eine klare Vision: Landwirtschaft und Handel sollen auf Augenhöhe stattfinden. Heute ist Sonnentor ein international anerkanntes Unternehmen, das Tausende von Kund*innen inspiriert und ein Vorbild für nachhaltiges Wirtschaften ist.
In Deutschland macht das Social Impact Lab in Berlin Schlagzeilen. Hier werden Start-ups unterstützt, die sich sozialen Innovationen widmen. Das Lab bietet nicht nur finanzielle Starthilfe, sondern auch Beratungen und Workshops. Eines der erfolgreichsten Projekte, das hier entstand, ist Kiron Open Higher Education, eine Online-Universität für Geflüchtete, die internationale Anerkennung genießt.
Ein Weckruf für die Wirtschaft
Die Nationale Strategie der Bundesregierung ist ein wichtiger Schritt, um soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen zu fördern. Doch es bleibt eine Herausforderung: Der Wandel hin zu einer gerechteren und nachhaltigeren Wirtschaft erfordert nicht nur politische Unterstützung, sondern auch ein Umdenken in der Gesellschaft. Unternehmen, Konsumentinnen und Investorinnen müssen bereit sein, Gemeinwohl über kurzfristige Gewinne zu stellen.
Fest steht: Der Erfolg von Unternehmen wie AfB, Too Good To Go oder Sonnentor zeigt, dass soziale und ökologische Verantwortung nicht nur machbar, sondern auch zukunftsfähig ist.
Quellen:
- Bundesregierung. (2023). Nationale Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen. Online verfügbar: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/sigu-strategie-2222960
- AfB gGmbH. (2024). Unternehmensprofil. Online verfügbar: https://www.afb-group.de
- Sonnentor. (2024). Über uns. Online verfügbar: https://www.sonnentor.com/de
- Too Good To Go. (2024). Unternehmensmission. Online verfügbar: https://toogoodtogo.de