Ein Haus aus Hanf: Deutschlands erster Hanfziegelbau als Vorreiter des nachhaltigen Bauens

Die Bauindustrie gehört zu den größten Verursachern von CO₂-Emissionen weltweit. Allein die Herstellung von Beton und Ziegeln trägt maßgeblich zur Erderwärmung bei. Zement, ein Schlüsselbestandteil von Beton, ist verantwortlich für etwa 8 % der globalen CO₂-Emissionen, und auch die Ziegelproduktion erfordert immense Energiemengen. Doch angesichts der Klimakrise wird es immer dringlicher, umweltfreundlichere Alternativen für den Bau von Häusern zu finden. Eine dieser Alternativen erlebt derzeit in Europa eine Renaissance: Hanf.

Hanf ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit, die in den letzten Jahren wegen ihrer Vielseitigkeit im Bauwesen wiederentdeckt wurde. In Deutschland wurde kürzlich das erste Haus aus Hanfziegeln eingeweiht – ein bahnbrechendes Projekt, das zeigt, wie nachhaltig Bauen der Zukunft aussehen kann. Aber warum gerade Hanf, und wie entstand dieses visionäre Projekt?

Das Problem: Bauindustrie als Klimakiller

Die Bauwirtschaft ist für rund 40 % der globalen CO₂-Emissionen verantwortlich (European Environment Agency, 2021). Der größte Teil davon entfällt auf die Herstellung und Nutzung energieintensiver Baumaterialien wie Beton, Stahl und gebrannte Ziegel. Neben den CO₂-Emissionen wird durch die Gewinnung von Rohstoffen wie Ton und Sand die Umwelt erheblich belastet. Wälder weichen oft den Steinbrüchen, und wertvolle Lebensräume gehen verloren.

Ein weiteres Problem sind die extrem hohen Energiekosten der Baustoffproduktion. Ziegel werden bei Temperaturen von über 1.000 Grad Celsius gebrannt, und auch die Zementherstellung ist ein energieintensiver Prozess. Zusätzlich produziert der Gebäudesektor Unmengen an Bauschutt, von dem ein großer Teil nicht recycelt werden kann.

Angesichts dieser Tatsachen stellt sich die Frage: Wie können Häuser gebaut werden, die sowohl die Umwelt schützen als auch gesünder für die Bewohner sind?

Die Lösung: Hanfziegel und ihre Vorteile

Hanf ist ein wahrer Alleskönner. Die Pflanze wächst schnell – innerhalb von 100 bis 120 Tagen – und benötigt dabei weder Pestizide noch Herbizide. Während des Wachstums bindet Hanf große Mengen CO₂ aus der Atmosphäre, was ihn zu einem umweltfreundlichen Rohstoff macht. Zudem gedeiht Hanf auf nährstoffarmen Böden, ohne diese auszubeuten, und kann problemlos in vielen Regionen Europas angebaut werden.

Hanfziegel, das zentrale Baumaterial des deutschen Hanfhauses, bestehen aus einer Mischung aus Hanfschäben (dem holzigen Kern der Pflanze), Kalk und Wasser. Diese Kombination erzeugt einen leichten, aber stabilen Baustoff mit einer Vielzahl von Vorteilen:

  • Exzellente Dämmung: Hanfziegel isolieren sowohl Wärme als auch Schall auf natürliche Weise. Das spart Heiz- und Kühlkosten und sorgt für ein angenehmes Raumklima.
  • Feuchtigkeitsregulierung: Hanfziegel können Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben, was Schimmelbildung verhindert.
  • Brandschutz: Trotz ihrer pflanzlichen Basis sind Hanfziegel schwer entflammbar.
  • Nachhaltigkeit: Hanfziegel sind vollständig recycelbar und tragen zur Kreislaufwirtschaft bei.

Laut einer Analyse des Schweizer Startups IsoHemp verursacht die Produktion von Hanfziegeln bis zu 80 % weniger CO₂-Emissionen im Vergleich zu herkömmlichen Baustoffen (IsoHemp, 2023).

Das Projekt: Deutschlands erstes Hanfhaus

Das erste Hanfhaus Deutschlands wurde von der Schönthaler OHG, einem familiengeführten Unternehmen aus Südtirol, realisiert. Die Firma, die bereits in der Schweiz und Luxemburg Projekte mit Hanfziegeln umgesetzt hat, zählt zu den Vorreitern im Bereich nachhaltiges Bauen. Die Schönthaler OHG wurde 2017 von Markus und Andreas Schönthaler gegründet und hat sich auf die Entwicklung von CO₂-armen Baustoffen spezialisiert. Das deutsche Hanfhaus entstand als Pilotprojekt in Kooperation mit der Hochschule Rosenheim, die das Projekt wissenschaftlich begleitete.

Das Gebäude ist ein Einfamilienhaus und besteht zu 100 % aus Hanfziegeln. Schon während der Bauphase stieß das Projekt auf großes Interesse von Umweltaktivisten, Bauingenieuren und der Presse. Besonders gelobt wurden die kurzen Bauzeiten und die unkomplizierte Verarbeitung der Hanfziegel. Innerhalb von nur sechs Monaten konnte das Haus fertiggestellt werden. Die Bewohner berichten von einem spürbar angenehmen Raumklima, das durch die natürlichen Materialien entsteht.

Erfolgreiche Umsetzung: Inspiration für andere Bauprojekte

Das Hanfhaus in Deutschland ist kein Einzelfall. In anderen europäischen Ländern gibt es bereits ähnliche Projekte. So wurde in der Schweiz das „Café Lieto“ vollständig aus Hanfziegeln gebaut. Es dient nicht nur als Begegnungsort, sondern auch als Vorzeigeprojekt für ökologisches Bauen. Besucher berichten, dass das Gebäude selbst an heißen Sommertagen angenehm kühl bleibt, ohne dass eine Klimaanlage benötigt wird.

Ein weiteres Beispiel ist ein Mehrfamilienhaus in Luxemburg, das von der Schönthaler OHG in Zusammenarbeit mit der luxemburgischen Regierung errichtet wurde. Dieses Projekt zeigt, dass Hanfziegel auch im urbanen Kontext eine praktikable Lösung darstellen. Die Baukosten lagen dabei nur geringfügig über denen konventioneller Bauweisen, doch die langfristigen Einsparungen bei Energie- und Wartungskosten übersteigen die Anfangsinvestitionen deutlich.

Herausforderungen und Zukunftsperspektiven

Trotz der vielen Vorteile steht der Einsatz von Hanfziegeln noch vor einigen Herausforderungen. Der Anbau von Industriehanf ist in vielen Ländern Europas streng reguliert, was die Rohstoffverfügbarkeit einschränkt. Zudem sind Hanfziegel derzeit teurer als traditionelle Baustoffe, da die Produktionsmengen noch gering sind und Skaleneffekte fehlen. Experten sind jedoch optimistisch, dass die Preise sinken werden, sobald die Nachfrage steigt und größere Produktionsanlagen gebaut werden.

Ein weiterer Hemmschuh sind fehlende Standards und Vorschriften für den Einsatz von Hanf im Bauwesen. Während Holz, Beton und Ziegel klar definierten Normen unterliegen, fehlt es bei Hanfziegeln oft an verbindlichen Regelungen. Hier sind Forschungseinrichtungen und Regierungen gefragt, um den rechtlichen Rahmen für den Einsatz von Hanfmaterialien zu schaffen.

Fazit: Ein Modell für die Zukunft

Das erste deutsche Hanfhaus zeigt, dass nachhaltiges Bauen nicht nur ein Ideal, sondern eine machbare Realität ist. Es dient als Inspiration für Architekten, Bauherren und Politik, überholte Bauweisen zu überdenken und neue Wege zu gehen. Hanf könnte sich als Schlüsselmaterial für das Bauen der Zukunft etablieren – klimafreundlich, gesund und wirtschaftlich.

Quellenangaben

 

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