Urbaner Holzbau: Wie ein Baustoff die Städte der Zukunft retten könnte

Inmitten der drängenden globalen Klimakrise stellt sich eine grundlegende Frage: Wie können wir Städte bauen, die nicht nur funktional, sondern auch nachhaltig sind? Ein innovatives Projekt hat darauf eine Antwort gefunden: den urbanen Holzbau. Es ist eine Vision, die weit über architektonische Ästhetik hinausgeht. Doch wie wurde aus der Idee, Hochhäuser aus Holz zu bauen, eine greifbare Bewegung? Und welche Herausforderungen stehen diesem ökologischen Vorhaben noch im Weg?

Das Problem: Beton und Stahl als Klimakiller

Die Baubranche ist für fast 40 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich (UN Environment, 2019). Beton und Stahl, die Hauptmaterialien im urbanen Bauwesen, sind ökologische Belastungen: Allein die Produktion von Zement, einem zentralen Bestandteil von Beton, verursacht jährlich rund 2,8 Milliarden Tonnen CO₂ (Andrew, 2019). Der immense Energieaufwand und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen machen diese Baustoffe zu versteckten Klimakillern. Gleichzeitig wächst der Bedarf an Wohnraum, insbesondere in Städten, stetig. Laut Schätzungen der UN werden bis 2050 rund zwei Drittel der Menschheit in urbanen Zentren leben (UN DESA, 2018). Die drängende Frage lautet: Wie können wir bauen, ohne den Planeten weiter zu zerstören?

Die Lösung: Holz als nachhaltiger Baustoff

Hier kommt der urbane Holzbau ins Spiel. Holz hat eine deutlich niedrigere CO₂-Bilanz als Beton oder Stahl, da Bäume während ihres Wachstums Kohlendioxid binden und speichern. Ein Kubikmeter Holz kann bis zu einer Tonne CO₂ speichern, und die Nutzung von Holz als Baustoff verlängert diese Speicherung über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte (Geng et al., 2020). Gleichzeitig ist Holz nachwachsend, vielseitig einsetzbar und gesundheitlich förderlich: Studien zeigen, dass Holzbauten die Luftqualität verbessern und das Wohlbefinden der Bewohner steigern können (Rice et al., 2020).

Das Projekt: Urbane Hochhäuser aus Holz

Das Projekt „Urbaner Holzbau für nachhaltige Städte“ wurde 2018 von einem interdisziplinären Team aus Architekten, Ingenieuren und Umweltexperten gegründet. Die Initiative, organisiert als gemeinnützige GmbH, verfolgt das Ziel, den Holzbau in urbanen Zentren zu fördern und zu standardisieren. Mit einem kleinen Kernteam von zwölf Personen startete das Projekt zunächst in Deutschland und hat mittlerweile Partner in ganz Europa. Es arbeitet eng mit Stadtverwaltungen, Forstbetrieben und Holzlieferanten zusammen, um einen nachhaltigen Kreislauf zu schaffen.

Ein Kernstück der Initiative sind standardisierte Baupläne für modulare Holzbauten. Diese Pläne ermöglichen es Architekten, flexibel zu arbeiten und dennoch die Vorteile des Holzbaus zu nutzen. Die Module können wie Bauklötze kombiniert werden, was die Bauzeit verkürzt und die Kosten senkt. Bis 2024 hat das Projekt bereits die Realisierung von 15 urbanen Holzbauprojekten begleitet, darunter ein preisgekröntes achtstöckiges Holzwohnhaus in München, das vollständig ohne Beton auskam.

Erfolgreiche Umsetzung und erste Ergebnisse

Eines der herausragendsten Projekte ist das Wohnhochhaus „Lichtung“, ein 12-stöckiges Gebäude im Herzen von Hamburg. Das Gebäude besteht zu 85 Prozent aus Holz und reduziert seine CO₂-Bilanz um 70 Prozent im Vergleich zu einem vergleichbaren Bau aus Beton. Die Kosten lagen etwa 15 Prozent über dem Durchschnitt, doch die Nachfrage nach den Wohnungen war enorm. Die Bewohner berichten von einem angenehmen Raumklima und einer niedrigeren Energienutzung dank der natürlichen Dämmwirkung des Holzes.

Eine Anekdote unterstreicht den Erfolg des Projekts: In der Stadt Freiburg entschied sich eine Baugenossenschaft, ein altes Parkhaus durch einen Holzhybridbau zu ersetzen. Das Projekt wurde innerhalb von nur zwölf Monaten realisiert und inspirierte die Stadtverwaltung, weitere Bauvorhaben aus Holz zu fördern. Dies zeigt, wie konkrete Erfolge eine Bewegung anstoßen können.

Herausforderungen und langfristige Ziele

Der urbane Holzbau ist jedoch nicht ohne Herausforderungen. Ein Problem ist die begrenzte Verfügbarkeit nachhaltiger Holzressourcen. Das Projekt setzt deshalb auf regionale Forstwirtschaft, um die Transportwege kurz und die Wälder gesund zu halten. Ein weiteres Hindernis sind Bauvorschriften, die oft auf traditionelle Baustoffe wie Beton ausgelegt sind. Doch hier konnte die Initiative Fortschritte erzielen: Durch Lobbyarbeit wurden in mehreren deutschen Städten neue Regelungen eingeführt, die den Holzbau fördern.

Das langfristige Ziel des Projekts ist es, Städte klimafreundlicher und lebenswerter zu machen. Der urbane Holzbau soll zum neuen Standard werden, und die Macher hoffen, dass ihre Arbeit als Blaupause für andere Länder dient.

 

Quellen

Andrew, R. M. (2019). Global CO2 emissions from cement production. Earth System Science Data, 11(4), 1675-1710.

Geng, A., et al. (2020). Environmental benefits of using wood in buildings. Journal of Cleaner Production, 244, 118-133.

Rice, J., et al. (2020). Indoor air quality in timber buildings. Building and Environment, 181, 106-120.

UN DESA (2018). World Urbanization Prospects: The 2018 Revision. New York: United Nations.

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