Zweite Blüte: Wie ausgemusterte Friedhofspflanzen ein neues Leben finden

Bonn – Ein Friedhof ist ein Ort des Gedenkens, der Stille und der Würde. Doch wer genau hinschaut, entdeckt oft auch die weniger würdige Seite: Noch lebende Pflanzen, die von Gräbern entfernt wurden, landen massenhaft im Grünabfall. Die Initiative „Zweite Blüte“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesem Problem entgegenzuwirken und ausgemusterten Pflanzen eine zweite Chance zu geben.


Das Problem: Unterschätzte Verschwendung

Jedes Jahr landen unzählige Pflanzen auf Friedhöfen im Müll – oft völlig intakte und gesunde Gewächse. Diese verschwenderische Praxis verschärft die Ressourcenkrise. Laut Schätzungen entfällt auf die Aufzucht von Zierpflanzen weltweit ein erheblicher Teil des Wasserverbrauchs in der Landwirtschaft, hinzu kommen Transportemissionen und der Einsatz von Düngemitteln (BUND, 2022).

Auf Friedhöfen wie dem in Endenich zeigt sich, wie wenig diese Ressourcen wertgeschätzt werden. Sobald Pflanzen verwelken oder nicht mehr den ästhetischen Vorstellungen entsprechen, werden sie ersetzt. Dabei könnten viele davon noch Jahre überleben, wenn sie weitergepflegt würden. Die Problematik ist komplex: Friedhofsbesucherinnen fehlt oft die Zeit, die Pflanzen weiterzuverwenden, während geeignete Strukturen zur Wiederverwertung bisher selten vorhanden sind.


Die Lösung: Ein Kreislaufmodell für Pflanzen

Hannah Westerhagen, Landschaftsarchitektin und Gründerin von „Zweite Blüte“, erkannte diese Problematik und entschied, etwas zu ändern. Vor zwei Jahren startete sie das Projekt auf dem Friedhof in Endenich, Bonn. Die Idee war denkbar einfach: An Sammelstellen können Friedhofsbesucherinnen Pflanzen ablegen, die sie nicht mehr benötigen, statt sie zu entsorgen. Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer retten diese Pflanzen aus dem Grünabfall, bereiten sie auf und stellen sie zur Wiederverwendung bereit.

Das Projekt ist inzwischen auf weitere Friedhöfe in Bonn ausgeweitet worden, darunter der Friedhof Platanenweg in Beuel und ab Mitte April auch der Friedhof in Friesdorf. Über 15 ehrenamtlich Engagierte kümmern sich derzeit um die Pflege der Pflanzen und die Betreuung der Sammelstellen. Unterstützt wird die Initiative von der Stadt Bonn, die die Idee von Anfang an förderte und die Expansion auf zusätzliche Standorte ermöglichte.

Die Initiative operiert als gemeinnütziger Verein und finanziert sich durch Spenden sowie die Unterstützung von lokalen Gartenbaubetrieben. Besonders stolz ist Westerhagen darauf, dass die Aktion bereits viele Nachahmerinnen inspiriert hat: „Unsere Vision ist es, ein deutschlandweites Netzwerk aufzubauen, das zeigt, wie einfach nachhaltige Friedhofspflege sein kann.“


Erfolgreiche Projekte: Pflanzen, die Geschichten erzählen

Die Praxis der „Zweiten Blüte“ hat in Bonn nicht nur Umweltvorteile gebracht, sondern auch emotionale Resonanz erzeugt. Ein Beispiel ist die Geschichte eines Rhododendrons, der auf einem Grab nicht mehr benötigt wurde. Er wurde durch das Team aufbereitet und fand ein neues Zuhause in einem Schrebergarten. „Die Besitzerin war überwältigt, weil sie sich die Pflanze selbst nie hätte leisten können“, erzählt Westerhagen. Solche Geschichten verdeutlichen den sozialen Mehrwert der Initiative.

Zahlen untermauern den Erfolg: Im Jahr 2023 konnten laut Vereinsangaben über 3.000 Pflanzen gerettet werden, was einer Einsparung von 1,5 Tonnen CO₂ durch den Verzicht auf neue Pflanzen entspricht (Zweite Blüte, 2023). Die Initiative trägt somit nicht nur zur Reduzierung von Abfall bei, sondern auch zum Klimaschutz.


Perspektiven: Ein Modell mit Zukunft

„Zweite Blüte“ ist ein Paradebeispiel dafür, wie gemeinschaftliches Handeln einen Unterschied machen kann. Die Resonanz zeigt, dass die Bereitschaft für nachhaltige Projekte wächst, wenn diese niederschwellig und effektiv umgesetzt werden. Die Stadt Bonn sieht das Potenzial und unterstützt ähnliche Initiativen auf Friedhöfen in der Region. Interessierte können sich direkt per E-Mail (zweitebluete.bonn@gmail.com) an die Initiative wenden, um ihre eigenen Projekte ins Leben zu rufen.

Das Modell zeigt eindrucksvoll: Nachhaltigkeit muss nicht teuer oder kompliziert sein. Manchmal reicht ein einfacher Sammelkorb, um eine Bewegung ins Rollen zu bringen.


Quellenangaben

  • BUND (2022) Nachhaltigkeit in der Zierpflanzenindustrie. Verfügbar unter: www.bund.net/nachhaltigkeit (Zugriff: 8. November 2024).
  • Stadt Bonn (2023) Nachhaltige Projekte in Bonn. Verfügbar unter: www.bonn.de/nachhaltigkeit (Zugriff: 8. November 2024).
  • Zweite Blüte (2023) Jahresbericht: Pflanzen retten, Ressourcen schonen. Verfügbar unter: www.instagram.com/zweite.bluete.bonn (Zugriff: 8. November 2024).
  • Kreisbote (2023) Kreislaufwirtschaft in der Friedhofspflege. Verfügbar unter: www.kreisblatt.de/pflanzenrecycling (Zugriff: 8. November 2024).

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