In einer Welt, in der Städte zunehmend verdichtet, die Umwelt stärker belastet und soziale Unterschiede größer werden, ist der Wald als Rückzugsort und als Lernumgebung für viele Menschen unerreichbar geworden. Waldflächen sind heute nicht mehr für jeden zugänglich, und für benachteiligte Gruppen kann der Zugang zu Naturerfahrungen besonders schwer sein. Hier setzt das Projekt „Wald für alle: Bildung und Integration“ an. Es verfolgt das Ziel, durch geführte Waldausflüge und Umweltbildungskurse nicht nur das Bewusstsein für ökologische Zusammenhänge zu stärken, sondern auch die soziale Integration zu fördern.
Das Problem: Zugang zur Natur und Bildungslücken in Umweltfragen
Viele Studien belegen, dass der Zugang zur Natur positive Effekte auf das Wohlbefinden, die physische Gesundheit und die geistige Verfassung hat. Dennoch fehlen gerade benachteiligten Gruppen – Menschen mit Migrationshintergrund, sozial benachteiligten Menschen oder Menschen mit Behinderungen – oft die Ressourcen oder Möglichkeiten, Natur hautnah zu erleben und aktiv an Umweltbildungsmaßnahmen teilzunehmen. Gleichzeitig zeigt sich immer deutlicher, dass Umweltbildung für alle Teile der Gesellschaft essentiell ist, um eine langfristige Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Die Gesellschaft steht daher vor der Herausforderung, ein Umdenken in ökologischen Fragen und den respektvollen Umgang mit der Natur in alle Gesellschaftsschichten zu tragen.
Die Lösung: Das Projekt „Wald für alle: Bildung und Integration“
Das Projekt „Wald für alle“ wurde ins Leben gerufen, um diese beiden Problembereiche – fehlender Zugang zur Natur und mangelnde Umweltbildung – anzugehen und gleichzeitig den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Hinter dem Projekt steht die gemeinnützige Organisation „Natur gemeinsam erleben e.V.“, die als eingetragener Verein seit 2017 in diesem Bereich tätig ist. Gegründet wurde der Verein von einem Zusammenschluss engagierter Umweltpädagogen und Sozialarbeiter, die erkannt haben, dass Naturerfahrungen die soziale Integration und das Umweltbewusstsein in der Gesellschaft nachhaltig stärken können.
Der Verein organisiert regelmäßig Waldausflüge und Umweltbildungskurse für Menschen unterschiedlichster Hintergründe. Diese Angebote richten sich gezielt an Menschen, die sonst keinen Zugang zur Natur haben: sozial benachteiligte Personen, Migranten oder Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen. Durch vielfältige Programmpunkte, wie gemeinschaftliches Bäumepflanzen, das Erforschen der Waldflora und -fauna und gezielte Bildungsangebote zu ökologischen Zusammenhängen, soll das Projekt nicht nur den Zugang zur Natur ermöglichen, sondern auch ein vertieftes Verständnis für ökologische Zusammenhänge schaffen. Das Ziel ist eine langfristige Verankerung eines nachhaltigen Denkens sowie die Stärkung eines Gemeinschaftsgefühls.
Erfolgsgeschichten: Wie „Wald für alle“ bereits Leben verändert hat
Beispiel 1: Integration von geflüchteten Familien im Forst Baden
Ein herausragendes Beispiel für den Erfolg des Projekts „Wald für alle“ findet sich im Forst Baden. Dort wurde das Projekt speziell für geflüchtete Familien konzipiert, die oft in sozialen Brennpunkten leben und nur selten Zugang zur Natur haben. Mit Unterstützung des örtlichen Forstamts wurden über 30 Familien zu regelmäßigen Waldausflügen eingeladen. Die Kurse waren zweisprachig (Deutsch und Arabisch) und behandelten Themen wie die Bedeutung des Waldes für die Artenvielfalt und ökologische Kreisläufe. Schon nach den ersten Treffen zeigte sich eine spürbare Veränderung: Die Teilnehmenden entwickelten nicht nur ein wachsendes Interesse an der Umwelt, sondern es entstanden auch neue Freundschaften und Unterstützungsnetzwerke innerhalb der Gruppe.
Einer der Teilnehmer, Ali, erzählte in einem späteren Interview: „Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben einen Baum selbst gepflanzt. Ich fühle mich jetzt verantwortlich für diesen Ort.“ Durch seine neu gewonnene Verantwortung für die Natur wuchs auch sein Engagement im Alltag, beispielsweise in Form von Mülltrennung und Ressourcenschonung. Ali wurde später sogar Mitglied im örtlichen Naturschutzverein.
Beispiel 2: Naturerlebnisse für Menschen mit Behinderungen in der Region Main
In der Region Main wurden im Rahmen von „Wald für alle“ speziell angepasste Naturerlebniskurse für Menschen mit körperlichen Einschränkungen entwickelt. In Zusammenarbeit mit der lokalen Behindertenwerkstatt und mehreren ehrenamtlichen Förstern entstanden barrierefreie Erlebnispfade, auf denen die Teilnehmenden den Wald mit allen Sinnen erleben konnten. Neben praktischen Erfahrungen wie dem Pflanzen von Wildkräutern und dem Bau eines kleinen Insektenhotels erhielten die Teilnehmenden auch wichtige Informationen über die Bedeutung des Ökosystems Wald.
Diese Kurse führten nicht nur zu einem tieferen Umweltbewusstsein bei den Teilnehmenden, sondern auch zu einem erhöhten Selbstbewusstsein und einem Gefühl der Verbundenheit mit der Gemeinschaft. Eine Teilnehmerin, die an den Rollstuhl gebunden ist, erklärte: „Der Wald ist ein Ort, an dem ich frei bin. Hier zählt es nicht, ob ich laufen kann oder nicht. Wir alle tragen Verantwortung für diesen Ort.“ Diese Erlebnisse förderten nicht nur das Umweltbewusstsein, sondern stärkten auch das Gefühl von Gleichberechtigung und Zugehörigkeit.
Auswirkungen und Zukunftsperspektiven
Das Projekt „Wald für alle“ hat nicht nur den Zugang zur Natur für benachteiligte Gruppen verbessert, sondern auch langfristige Erfolge in Bezug auf die Förderung von Umweltbewusstsein und sozialer Integration erzielt. Die positiven Auswirkungen zeigen, dass Umweltbildung und soziale Teilhabe Hand in Hand gehen können und müssen. Neben der unmittelbaren Naturerfahrung, die den Teilnehmenden ermöglicht wird, entsteht ein tieferes Bewusstsein für ökologische Zusammenhänge, das häufig auch auf den Alltag übertragen wird.
Der Erfolg des Projekts hat die Gründer dazu motiviert, ihr Angebot weiter auszubauen. So sollen künftig auch Programme für Jugendliche und Schulkinder entwickelt werden, um bereits junge Menschen für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren. „Wald für alle“ zeigt damit, wie eine nachhaltige Bildungsarbeit aussehen kann, die nicht nur ökologische, sondern auch soziale Verantwortung übernimmt und Generationen verbindet.
Quellenangaben
- Forst Baden. 2023. Ein neuer Weg zur Integration: Umweltbildung im Forst Baden. Verfügbar unter: https://forst-baden.de/projekte/integration [Zugriff am 05. November 2024].
- Region Main. 2023. Barrierefreie Naturerlebnisse: Menschen mit Behinderungen erleben den Wald. Verfügbar unter: https://region-main.de/projekte/naturerlebnisse [Zugriff am 05. November 2024].
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. 2022. Natur erleben für alle: Förderprogramme zur sozialen Integration. Verfügbar unter: https://umweltministerium.de/umweltbildung/foerderprogramme [Zugriff am 05. November 2024].
- Natur gemeinsam erleben e.V. 2024. Wald für alle: Bildung und Integration – über uns. Verfügbar unter: https://natur-gemeinsam-erleben.de/ueber-uns [Zugriff am 05. November 2024].