Taktile Karten aus recycelten Materialien: Ein ökologisch-soziales Projekt zur Inklusion von Blinden und Sehbehinderten

Problem: Die Herausforderung der Orientierung für Blinde und Sehbehinderte

Die Orientierung im öffentlichen Raum stellt für blinde und sehbehinderte Menschen eine erhebliche Herausforderung dar. Während Sehende intuitiv Straßenschilder, Karten oder Orientierungspunkte wahrnehmen und sich leicht zurechtfinden, fehlen blinden Menschen oft die nötigen Hilfsmittel, um sich sicher und unabhängig fortzubewegen. Häufig bleibt ihnen nur die Möglichkeit, sich auf mündliche Anweisungen anderer oder auf elektronische Hilfen zu verlassen, die jedoch nicht immer zuverlässig sind oder einfach zur Hand sind.

In Großstädten, öffentlichen Verkehrsmitteln, Museen, Parks und anderen großen Einrichtungen gibt es zwar erste Anstrengungen zur Barrierefreiheit, aber oft fehlt es an taktilen (fühlbaren) Karten, die eine echte Orientierung und Selbstbestimmung ermöglichen würden. Gerade in unbekannten Umgebungen erleben viele Blinde und Sehbehinderte das Gefühl, auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, was den Alltag enorm einschränkt.

Hinzu kommt die ökologische Herausforderung, dass viele Orientierungshilfen aus konventionellen Materialien gefertigt werden und nach ihrer Nutzungsdauer als Abfall enden. Recycelte Materialien könnten hier einen nachhaltigen Weg weisen und gleichzeitig das Umweltbewusstsein stärken.

Die Lösung: Nachhaltige taktile Karten zur Verbesserung der Inklusion

In diesem Kontext entstand die Idee für ein Projekt, das nachhaltige und ökologische Lösungen mit inklusivem Design verbindet: taktile Karten aus recyceltem Kunststoff und anderen umweltfreundlichen Materialien. Ziel dieser Initiative ist es, Blinden und Sehbehinderten eine unabhängige, sichere Orientierung in öffentlichen Räumen zu ermöglichen, ohne auf Unterstützung durch andere angewiesen zu sein.

Wer steckt hinter dem Projekt?

Das Projekt wurde von der Berliner Non-Profit-Organisation Inclusive Paths gegründet. Diese Organisation wurde 2019 von einem kleinen Team aus Experten in den Bereichen Umwelttechnik, Produktdesign und Barrierefreiheit ins Leben gerufen. Die Gründerin, Anna Müller, selbst eine leidenschaftliche Aktivistin für Inklusion und Umweltschutz, brachte durch ihre persönlichen Erfahrungen im Bereich der Barrierefreiheit wertvolles Wissen und Motivation mit ein. Die Organisation entschied sich bewusst für die Rechtsform einer gGmbH, um sicherzustellen, dass die Einnahmen ausschließlich zur Weiterentwicklung des Projekts und nicht für private Zwecke verwendet werden.

Mit einem Team von mittlerweile 15 Mitarbeitenden, die aus verschiedenen Disziplinen stammen, arbeitet Inclusive Paths daran, Prototypen taktiler Karten zu entwickeln, zu testen und schließlich im öffentlichen Raum zu installieren. Die Karten bestehen aus robustem, recyceltem Kunststoff und sind so konzipiert, dass sie Wetterbedingungen im Außenbereich standhalten, gleichzeitig aber leicht ausgetauscht oder erweitert werden können. Das Projekt wird durch eine Kombination aus öffentlichen Fördermitteln und Kooperationen mit Recyclingfirmen finanziert, die Materialien spenden oder zu günstigen Preisen bereitstellen.

Erfolgreiche Umsetzung: Orientierung in den Berliner Museen

Ein Beispiel für die erfolgreiche Implementierung der taktilen Karten ist das Berliner Technikmuseum, das als eine der ersten Einrichtungen die Karten von Inclusive Paths eingeführt hat. Hier wurden an mehreren Stellen im Museum taktile Übersichtskarten installiert, die den Besucherinnen und Besuchern die Möglichkeit geben, eigenständig durch die Ausstellungsräume zu navigieren. Die Karten sind in Braille-Schrift und mit fühlbaren Markierungen für Wege, Räume und besondere Exponate versehen.

Ein besonders positives Feedback kam von einer Besuchergruppe aus einer lokalen Blinden-Organisation. Eine der Teilnehmerinnen, die seit Jahren das Museum besucht, äußerte sich begeistert über das neue Orientierungssystem: „Zum ersten Mal konnte ich mich alleine durch die Ausstellung bewegen und selbst entscheiden, wohin ich gehen möchte. Es ist ein unglaubliches Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit, das ich bisher noch nicht erlebt habe.“

Weiterer Nutzen: Arbeitsplätze und ökologische Verantwortung

Ein weiterer positiver Aspekt dieses Projekts ist die Schaffung neuer Arbeitsplätze, vor allem in der Produktion und Verarbeitung der recycelten Materialien. Inclusive Paths hat Partnerschaften mit mehreren Recyclingbetrieben in der Region aufgebaut, um die benötigten Kunststoffe für die Karten bereitzustellen. Die recycelten Materialien werden speziell für die Anforderungen der Karten aufbereitet und so verarbeitet, dass sie langlebig und widerstandsfähig sind. Dabei werden nicht nur Ressourcen geschont, sondern auch Arbeitsplätze für Menschen geschaffen, die in der Recyclingbranche arbeiten oder eine Beschäftigung suchen.

Für das Umweltbewusstsein ist dieses Projekt ebenfalls ein bedeutender Schritt. Durch die Verwendung von recycelten Kunststoffen werden nicht nur Abfallmengen reduziert, sondern auch wichtige Ressourcen gespart, die ansonsten für die Herstellung neuer Materialien verwendet würden.

Herausforderungen und Ausblick

Obwohl das Projekt bereits einige Erfolge verzeichnen konnte, steht Inclusive Paths weiterhin vor Herausforderungen. Die Kosten für die Produktion der Karten sind relativ hoch, und die Finanzierung über öffentliche Mittel und Spenden muss ständig gesichert werden. Zudem gestaltet sich die Kooperation mit großen öffentlichen Einrichtungen oft als schwierig, da hier viele bürokratische Hürden überwunden werden müssen. Doch das Team von Inclusive Paths bleibt optimistisch und plant, in Zukunft noch weitere Städte und öffentliche Institutionen für das Projekt zu gewinnen. Besonders große Parks und öffentliche Verkehrsmittel sind dabei im Fokus, da hier eine große Zahl an sehbehinderten Menschen von taktilen Karten profitieren würde.

Inclusive Paths verfolgt mit seinen taktilen Karten das Ziel, die Welt für blinde und sehbehinderte Menschen zugänglicher und inklusiver zu machen und dabei gleichzeitig einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.

Quellenangaben

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert