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Stadtgärten der Zukunft: Gemüse direkt aus der Stadt

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Die wachsenden Herausforderungen unserer Ernährungssysteme

Unsere Ernährung steht vor massiven Herausforderungen. Der steigende Konsum, die zunehmende Urbanisierung und die fortschreitende Klimakrise setzen die landwirtschaftlichen Ressourcen weltweit unter Druck. Lebensmittel müssen oft hunderte, manchmal tausende Kilometer zurücklegen, um die Supermarktregale zu erreichen – ein logistischer Kraftakt, der mit hohen Kosten und erheblichen Umweltbelastungen verbunden ist. Transportwege treiben die Emissionen in die Höhe und sorgen für immense Abfallmengen, da unterwegs viele verderbliche Produkte verloren gehen. Die Landwirtschaft selbst steht ebenfalls unter Druck, da extreme Wetterbedingungen, Bodenverarmung und Wasserknappheit die Ernteerträge bedrohen.

In diesem Kontext gewinnen alternative Anbaumethoden immer mehr an Bedeutung. Eine vielversprechende Innovation ist die urbane vertikale Landwirtschaft. In Stadtzentren, wo Platz rar und die Nachfrage nach frischen Produkten hoch ist, können vertikale, mehrstöckige Indoor-Farmen eine nachhaltige und effiziente Lösung bieten. Aber wie lässt sich diese Vision in die Realität umsetzen? Hier kommt das Projekt „Urbanes Vertikales Landwirtschaftszentrum“ ins Spiel, das mit einem neuen Ansatz die Städte nicht nur mit Gemüse, sondern auch mit Ideen zur Nachhaltigkeit versorgen will.

„Urbanes Vertikales Landwirtschaftszentrum“ – Ein neuer Ansatz für die Nahrungsmittelproduktion

Hinter dem „Urbanen Vertikalen Landwirtschaftszentrum“ stehen die Gründerinnen und Gründer der in Berlin ansässigen Firma GreenRise. Das Unternehmen wurde 2018 als GmbH gegründet und hat sich seitdem zu einem führenden Innovator in der urbanen Landwirtschaft entwickelt. Die Vision von GreenRise ist klar: sie wollen die lokale Produktion von frischen Lebensmitteln mitten in der Stadt ermöglichen, um Transportwege zu minimieren und die Versorgungsketten resilienter zu gestalten.

Die Basis ihrer Technologie liegt in der Hydroponik und Aeroponik – zwei Methoden, die den Einsatz von Erde überflüssig machen. Stattdessen wachsen die Pflanzen auf Nährlösungen oder in einer kontrollierten Umgebung, wo ihre Wurzeln direkt mit Nährstoffen versorgt werden. Das Ergebnis ist eine effiziente, platzsparende und ressourcenschonende Form des Anbaus, die den herkömmlichen Ackerbau auf dem Land in vielerlei Hinsicht herausfordert. Gründer und CEO von GreenRise, Max Hoffmann, und seine Co-Gründerin Lara Meinhardt, selbst Agrarwissenschaftlerin, erkannten früh das Potenzial dieser Technologien. „Wir haben in Berlin einfach zu viele alte Lagerhäuser und leerstehende Bürogebäude gesehen und uns gefragt: Warum sollten wir diesen Platz nicht produktiv nutzen?“, erklärt Meinhardt.

Erfolgreiche Projekte und inspirierende Einblicke

Ein Meilenstein für GreenRise war die Errichtung einer ersten großen Indoor-Farm im Jahr 2019 im Berliner Stadtteil Kreuzberg. Das Lagerhaus, das einst als Lager für Textilien diente, wurde in eine üppige, vertikale Farm umgewandelt, die jährlich rund 50 Tonnen frisches Gemüse produziert. Dieses „Grüne Haus“, wie die Mitarbeitenden es liebevoll nennen, versorgt mittlerweile Dutzende von Restaurants, Bio-Läden und Supermärkten in der Stadt mit Salat, Spinat und Kräutern – alles ohne Pestizide und bei geringem Wasserverbrauch.

Eine Besonderheit ist der enge Kontakt zu den Abnehmern. Viele Restaurants senden sogar Wünsche, welche Kräuter oder Gemüsesorten sie gerne hätten. So experimentierte GreenRise beispielsweise mit seltenen Basilikumarten auf Anregung eines italienischen Kochs. Die Rückmeldungen der Küchenchefs fließen direkt in den Produktionsplan ein und helfen GreenRise, neue Produkte schnell und effizient umzusetzen.

Ein weiteres Projekt fand im Jahr 2022 in der Stadt Leipzig statt, wo ein verlassenes Bürogebäude zu einer urbanen Farm umfunktioniert wurde. Hier kam es zu einer überraschenden Anekdote: Während der Umbauarbeiten tauchte eine Gruppe neugieriger Anwohner auf und fragte, was denn mit dem Gebäude passieren würde. Als sie hörten, dass hier künftig Gemüse wachsen würde, meldeten sich einige von ihnen kurzerhand als Freiwillige, um beim Aufbau der Farm zu helfen. Heute sind diese engagierten Nachbarn regelmäßige Kunden und Fans von GreenRise – ein schönes Beispiel dafür, wie urbane Landwirtschaft auch das soziale Miteinander in Stadtteilen fördern kann.

Perspektiven für die Zukunft

Die Nachfrage nach frischen, lokal produzierten Lebensmitteln steigt stetig. Insbesondere durch die Pandemie haben viele Menschen ein neues Bewusstsein für regionale Versorgung und Nachhaltigkeit entwickelt. GreenRise plant daher, in den nächsten Jahren auch in anderen deutschen Städten Fuß zu fassen und Kooperationen mit Kommunen und Immobilienbesitzern auszubauen. Dabei soll die urbane Landwirtschaft nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Funktion übernehmen: In Berlin etwa bietet GreenRise mittlerweile Schulklassen Führungen durch die Farmen an und veranstaltet Workshops zur urbanen Landwirtschaft.

Die Vision ist ambitioniert, doch Hoffmann und Meinhardt sind überzeugt, dass ihre mehrstöckigen Indoor-Farmen die Städte von morgen entscheidend prägen können. Ihr Ziel: eine Welt, in der frisches, lokales Gemüse in den Städten so selbstverständlich ist wie der Bäcker um die Ecke.

Quellen

  • Despommier, D., 2010. The Vertical Farm: Feeding the World in the 21st Century. New York: Thomas Dunne Books.
  • Benke, K. and Tomkins, B., 2017. Future food-production systems: vertical farming and controlled-environment agriculture. [online] Sustainability. Available at: https://www.mdpi.com/2071-1050/9/5/747
  • Specht, K., et al., 2014. Urban agriculture of the future: an overview of sustainability aspects of food production in and on buildings. [online] Agriculture and Human Values. Available at: https://link.springer.com/article/10.1007/s10460-014-9523-y
  • Thomaier, S., et al., 2015. Farming in and on urban buildings: Present practice and specific novelties of Zero-Acreage Farming (ZFarming). [online] Renewable Agriculture and Food Systems. Available at: https://www.cambridge.org/core/journals

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