Ochsenwerder: Städter helfen bei der Rübenernte – Ein neues Konzept der Gärtnerei Sannmann

Die ökologische Landwirtschaft in Deutschland steht vor großen Herausforderungen: Arbeitskräftemangel, wirtschaftliche Unsicherheiten und steigende Kosten belasten Höfe landesweit. Insbesondere in den letzten Jahren hat sich die Suche nach Erntehelfern massiv verschärft. Wo früher Saisonarbeiter aus dem Ausland kamen, fehlen heute oft die Menschen, die bereit sind, wochenlang körperlich hart zu arbeiten. Die Gärtnerei Sannmann in Ochsenwerder bei Hamburg hat sich deshalb für einen ungewöhnlichen Weg entschieden: Über soziale Medien rief sie Freiwillige aus der Stadt zur Ernte auf. Ihre Belohnung? Ein gemeinsames Mittagessen und ein Einblick in die biologische Landwirtschaft. Die Resonanz war überwältigend.

Die Herausforderung: Ein Mangel an Erntehelfern und die steigende Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln

In Deutschland wächst der Markt für biologische Lebensmittel kontinuierlich. Immer mehr Menschen möchten wissen, woher ihre Lebensmittel stammen und unter welchen Bedingungen sie produziert wurden. Biobauern setzen daher auf umweltfreundliche Anbaumethoden, verzichten auf Pestizide und legen Wert auf nachhaltige Produktion. Doch all das erfordert viel Handarbeit – und genau hier beginnt das Problem.

Laut einer Studie des Thünen-Instituts leidet die Landwirtschaft in Deutschland seit Jahren unter einem Mangel an Arbeitskräften. Die Pandemie und die verschärften Einreisebestimmungen haben dieses Problem weiter verschärft, da viele Saisonarbeiter aus Osteuropa, die traditionell bei der Ernte helfen, nicht mehr zur Verfügung standen (Thünen-Institut, 2023). Besonders betroffen sind Betriebe, die Gemüse, Obst oder Spezialkulturen wie Heilkräuter anbauen, da hier oft auf Maschinen verzichtet wird, um die Qualität zu erhalten und den Boden zu schonen. Für viele Landwirte bedeutet das hohe Arbeitskosten und eine zunehmende Unsicherheit, ob sie ihre Ernte rechtzeitig einbringen können.

Die Gärtnerei Sannmann, ein Pionierbetrieb im ökologischen Landbau, kennt diese Herausforderungen nur zu gut. Der Hof baut seit über 30 Jahren biologisches Gemüse in Ochsenwerder an und verkauft es in der Region. Doch auch hier ist der Mangel an Erntehelfern spürbar, vor allem bei arbeitsintensiven Kulturen wie Rüben. An diesem Punkt entstand die Idee, die Städter direkt anzusprechen und sie zur Mithilfe zu animieren.

Die Lösung: Städter auf dem Feld – Wie die Gärtnerei Sannmann Freiwillige über Instagram mobilisiert

Die Idee für das ungewöhnliche Ernteprojekt kam von Thomas Sannmann, dem Inhaber der Gärtnerei. Er und seine Familie leiten den Betrieb als Familienunternehmen ohne externen Investor und mit einem klaren Fokus auf biologische Landwirtschaft. Der Hof ist bekannt für seine Umweltinitiativen und zählt zu den ältesten Bio-Gärtnereien im Großraum Hamburg. Um das Personalproblem zu lösen, kam Sannmann auf die Idee, Städter direkt über Instagram anzusprechen. Das soziale Netzwerk hat sich für den Bio-Betrieb als perfekte Plattform erwiesen: Durch eindrucksvolle Fotos der Felder und Geschichten über das tägliche Hofleben konnte der Betrieb eine treue Anhängerschaft aufbauen.

Im September 2023 wurde ein Aufruf veröffentlicht: „Kommt raus aufs Feld und helft uns bei der Rübenernte! Als Dankeschön gibt es ein gemeinsames Mittagessen mit dem Team und eine Führung durch die Gärtnerei.“ Die Resonanz war enorm. Innerhalb weniger Tage meldeten sich zahlreiche Hamburger, die bereit waren, einen Tag auf dem Feld zu verbringen. Viele von ihnen wollten einfach einmal wissen, wie die Arbeit in der Landwirtschaft wirklich aussieht. Der Erfolg überraschte auch Thomas Sannmann: „Ich hätte nie gedacht, dass so viele Menschen sich für die Arbeit auf dem Feld interessieren würden. Es war toll zu sehen, wie engagiert die Helfer waren und wie viel Spaß sie hatten.“

Erfolgsgeschichten: Wie Städter und Landwirte voneinander profitieren

Die erste Gruppe von Freiwilligen kam an einem sonnigen Septembertag nach Ochsenwerder. Die Arbeit auf dem Feld begann früh, und die Städter bekamen eine kurze Einführung in die Kunst des Rübenerntens. Viele von ihnen waren überrascht, wie anstrengend die Arbeit tatsächlich ist. „Ich arbeite normalerweise im Büro und sitze den ganzen Tag am Schreibtisch“, erzählt Max, ein 34-jähriger Marketing-Spezialist. „Hier draußen auf dem Feld zu sein und zu sehen, wie viel Arbeit hinter einem Bund Rüben steckt, war eine echte Erfahrung.“

Nach einigen Stunden intensiver Feldarbeit kam die Gruppe zum wohlverdienten Mittagessen zusammen. Die Gärtnerei bereitete ein einfaches, aber herzhaftes Essen aus den eigenen Produkten zu. Die Gespräche drehten sich um die Herausforderungen der Landwirtschaft, nachhaltige Produktion und den Zusammenhang zwischen Landwirtschaft und Umweltschutz. Für viele war das Mittagessen nicht nur eine Belohnung, sondern auch ein Moment des Lernens und der Inspiration. Auch die Gärtnerei profitierte von den neuen Kontakten: Einige der freiwilligen Helfer wurden zu Stammkunden und unterstützten den Betrieb aktiv, indem sie regelmäßig direkt ab Hof einkauften.

Das Experiment der Gärtnerei Sannmann ist ein Beispiel dafür, wie innovative Ansätze nicht nur ein praktisches Problem lösen, sondern auch eine neue Verbindung zwischen Stadt und Land schaffen können. Für Thomas Sannmann ist klar, dass solche Projekte in Zukunft eine wichtige Rolle spielen könnten. „Viele Städter haben kaum noch Bezug zur Landwirtschaft. Durch Aktionen wie diese bringen wir die Menschen wieder näher an die Natur und schaffen Verständnis für die harte Arbeit, die hinter ihren Lebensmitteln steckt.“

Ein Modell für die Zukunft der ökologischen Landwirtschaft?

Das Projekt der Gärtnerei Sannmann hat ein enormes Echo in der Öffentlichkeit hervorgerufen. Andere Bio-Betriebe im Hamburger Umland denken bereits darüber nach, ähnliche Initiativen zu starten. Der Erfolg zeigt, dass Städter durchaus bereit sind, sich für ökologische Landwirtschaft zu engagieren, wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Thomas Sannmann sieht darin eine Chance für die Zukunft: „Wir müssen die Menschen wieder mit der Landwirtschaft verbinden, und dafür ist jede Hand willkommen.“

Das Rüben-Projekt in Ochsenwerder hat bewiesen, dass es möglich ist, freiwillige Helfer für die Landwirtschaft zu gewinnen, wenn man die richtigen Anreize schafft und ein Gemeinschaftserlebnis bietet. Die Verbindung zwischen Stadt und Land könnte so auch langfristig zur Sicherung der ökologischen Landwirtschaft beitragen.

Quellen

Thünen-Institut, 2023. „Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft: Herausforderungen und Lösungen.“ Verfügbar unter: https://www.thuenen.de/thema/arbeitskraftmangel

Gärtnerei Sannmann, 2023. „Instagram-Aufruf zur Rübenernte in Ochsenwerder.“ Verfügbar unter: https://www.instagram.com/gaertnereisannmann

Ökologischer Landbau – Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), 2022. „Situation der Bio-Landwirtschaft in Deutschland.“ Verfügbar unter: https://www.ble.de/bio-landbau

BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft), 2022. „Arbeitskräfte in der Landwirtschaft.“ Verfügbar unter: https://www.bmel.de/arbeitskraefte-landwirtschaft

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