Die globale Landwirtschaft steht am Scheideweg. Mit einer wachsenden Weltbevölkerung, die bis 2050 schätzungsweise knapp zehn Milliarden Menschen erreichen wird, wächst auch die Nachfrage nach Nahrungsmitteln und Wasserressourcen. Das traditionelle landwirtschaftliche System – intensiv, auf Monokulturen ausgerichtet und oft mit hohen Kosten für die Umwelt verbunden – gerät an seine ökologischen Grenzen. Der Rückgang der Bodenfruchtbarkeit, der Verlust der Biodiversität und die zunehmende Belastung von Wasserressourcen sind nur einige der Probleme, mit denen das System zu kämpfen hat. Doch Lösungen sind in Sicht, die die Art und Weise, wie wir Nahrung produzieren, radikal verändern könnten: Agroforstwirtschaft und Aquaponik – zwei Ansätze, die innovative und nachhaltige Ansätze der Landwirtschaft vereinen und das Potenzial haben, sowohl ländliche als auch städtische Räume zu revolutionieren.
Das Problem: Ein Landwirtschaftssystem unter Druck
Die moderne Landwirtschaft hat sich seit der industriellen Revolution enorm verändert. Die Optimierung der Produktion durch intensive Nutzung von Land, Wasser und chemischen Düngemitteln brachte kurzfristige Ertragssteigerungen, aber auch langfristige Schäden. Boden wird ausgelaugt, die biologische Vielfalt schwindet, und die Emissionen klimaschädlicher Gase steigen. Die Abhängigkeit von Monokulturen hat nicht nur die Anfälligkeit gegenüber Schädlingen und Krankheiten erhöht, sondern auch den Einsatz von Pestiziden und Herbiziden in die Höhe getrieben, was wiederum Böden und Wasserressourcen belastet.
In vielen Regionen verschärfen sich diese Probleme weiter durch klimatische Veränderungen: Dürreperioden, Überflutungen und der Verlust an fruchtbaren Böden sind Konsequenzen, die bereits heute spürbar sind und die sich in den kommenden Jahrzehnten weiter verschärfen könnten. Dies trifft insbesondere auf Regionen des Globalen Südens zu, wo Zugang zu Wasser und Land oft ohnehin eingeschränkt ist. Die Folge? Ein Teufelskreis von sinkenden Erträgen und zunehmender Nahrungsknappheit, der letztlich auch die wirtschaftliche Stabilität ganzer Länder bedrohen könnte.
Die Lösung: Ein integrativer Ansatz durch Agroforstwirtschaft und Aquaponik
Agroforstwirtschaft und Aquaponik bieten eine nachhaltige Alternative zu diesen Problemen. Beide Ansätze nutzen ökologische Prinzipien, um Ressourcen schonend einzusetzen und eine ausgewogene, nachhaltige Lebensmittelproduktion zu ermöglichen.
Agroforstwirtschaft ist ein System, das Bäume und Sträucher gezielt in die landwirtschaftliche Produktion integriert. Diese Pflanzen stabilisieren den Boden, verbessern dessen Fruchtbarkeit und speichern Kohlenstoffdioxid. Das Konzept basiert auf der Erkenntnis, dass die Natur als ein interagierendes Ökosystem funktioniert und dass das Zusammenwirken unterschiedlicher Pflanzenarten zu einem robusteren, nachhaltigeren System führt. Agroforstwirtschaft fördert eine höhere Biodiversität und eine bessere Bodenqualität, was langfristig zu stabileren Erträgen und einer geringeren Anfälligkeit für klimatische Extremereignisse führt.
Aquaponik wiederum ist eine Methode, die Fischzucht und Pflanzenkulturen in einem geschlossenen Kreislaufsystem kombiniert. Die Exkremente der Fische dienen als natürlicher Dünger für die Pflanzen, die ihrerseits das Wasser filtern, bevor es zurück zu den Fischen gelangt. Dadurch wird der Wasserverbrauch enorm gesenkt, was besonders in wasserarmen Regionen ein enormer Vorteil ist. Aquaponik-Systeme sind dabei äußerst anpassungsfähig und lassen sich sowohl in städtischen als auch in ländlichen Räumen skalieren.
Die Kombination beider Systeme hat sich in Pilotprojekten bereits bewährt: Während die Agroforstwirtschaft Bodenerosion und Wasserverlust verringert und CO₂ bindet, kann die Aquaponik in einem Kreislaufsystem gleichzeitig hochwertige Nahrungsmittel produzieren und die Nährstoffkreisläufe optimieren. Zusammen bilden sie ein System, das ressourcenschonend ist und sich an unterschiedliche geographische Bedingungen anpassen lässt.
Die Gründer: Eine Vision für nachhaltige Landwirtschaft
Dieses kombinierte Konzept der Agroforst- und Aquaponik wurde von einer Gruppe von Agrarwissenschaftlern und Unternehmern entwickelt, die die Organisation „GreenLoop“ ins Leben riefen. Gegründet 2018 als gemeinnützige GmbH, zählt das Unternehmen mittlerweile 25 Mitarbeitende und arbeitet mit Partnerorganisationen in Afrika, Asien und Europa zusammen. GreenLoop versteht sich als Brücke zwischen traditionellen landwirtschaftlichen Methoden und moderner Technik, und seine Gründer verfolgen das Ziel, eine sozial und ökologisch nachhaltige Landwirtschaft zu fördern, die auch ökonomisch rentabel ist.
Die Idee entstand aus einer gemeinsamen Forschungsarbeit an der Universität Wageningen, bei der die Gründer das Potenzial beider Systeme analysierten und erste Prototypen entwickelten. „Wir wollten nicht nur eine weitere Idee für die Forschung entwerfen“, erklärt Mitbegründerin Sarah Jansen, eine erfahrene Agrarwissenschaftlerin mit jahrelanger Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit. „Wir wollten ein Konzept entwickeln, das tatsächlich in den Regionen Anwendung findet, wo es am dringendsten gebraucht wird.“
Erfolgsprojekte: Nachhaltigkeit in Aktion
Ein besonders erfolgreiches Projekt setzte GreenLoop in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Bunyoro in Uganda um. Auf einem 50 Hektar großen Grundstück etablierte das Team ein Agroforst- und Aquaponiksystem, das mittlerweile die lokale Gemeinde mit frischem Fisch und Obst versorgt. Der Standort wurde so konzipiert, dass Bäume als Schattenspender für die Fischteiche dienen und gleichzeitig zur Bodenstabilisierung beitragen. Die Ernteerträge haben sich verdoppelt, und die Abhängigkeit von chemischen Düngemitteln konnte drastisch gesenkt werden.
Ein Mitglied des Projektteams erzählt eine Anekdote, die zeigt, wie ein eher unerwarteter Effekt durch das System erreicht wurde: „Wir hatten nicht erwartet, dass sich durch die Bäume so viele Vögel und Insekten ansiedeln würden. Aber eines Morgens sahen wir, wie Kinder der Gemeinde begeistert Schmetterlinge beobachteten und damit spielten. Das sind die kleinen, aber bedeutsamen Momente, die zeigen, dass wir nicht nur die Landwirtschaft verändern, sondern auch ein Stück Natur zurückbringen.“
Ein weiteres Erfolgsbeispiel findet sich in Bangladesch, wo das GreenLoop-Team in Zusammenarbeit mit einer lokalen NGO ein System entwickelte, das speziell an die Herausforderungen der Monsunzeit angepasst ist. Hier wurde das Agroforstsystem so gestaltet, dass die Wurzeln der Bäume die Fischteiche stabilisieren und das System selbst bei heftigen Regenfällen stabil bleibt. Die Umsetzung erfolgte gemeinsam mit lokalen Landwirten, die nun auf eine größere Vielfalt an Ernteerträgen zugreifen können.
Fazit: Ein Modell für die Zukunft
Die Kombination aus Agroforstwirtschaft und Aquaponik bietet das Potenzial, die Landwirtschaft nachhaltig zu transformieren. Während das Konzept in den vergangenen Jahren noch oft als visionär abgetan wurde, beweisen GreenLoop und ähnliche Projekte weltweit, dass diese nachhaltige Form der Landwirtschaft machbar und wirtschaftlich sinnvoll ist. Sie ermöglichen stabile Ernteerträge, fördern Biodiversität und bieten eine Alternative zu intensiven Bewässerungsmethoden, die die Wasservorräte der Erde erschöpfen.
Agroforstwirtschaft und Aquaponik könnten in Zukunft eine entscheidende Rolle in der weltweiten Nahrungsmittelproduktion spielen – und GreenLoop zeigt bereits, wie dieser Weg in die Realität umgesetzt werden kann.
Quellenangaben
- Food and Agriculture Organization (FAO) 2023, ‚Agroforestry for biodiversity and ecosystem services‘, FAO, Rome. Available at: http://www.fao.org/agroforestry
- Wageningen University & Research 2019, ‚Agroforestry: Combining Agriculture and Forestry for Sustainability‘, WUR, Wageningen. Available at: https://www.wur.nl/en
- Environmental Working Group (EWG) 2022, ‚The Impact of Aquaponics on Water Resources‘, EWG, Washington D.C. Available at: https://www.ewg.org
- United Nations 2021, ‚Sustainable Agriculture: A Way Forward for Climate Action‘, United Nations, New York. Available at: https://www.un.org