Mini-Ökobauer*innen: Der erste Gemüsegarten für Kinder

Das Problem: Wenn das Wissen über den Ursprung unserer Lebensmittel schwindet

In einer zunehmend urbanisierten Welt wächst eine Generation von Kindern heran, die oftmals den Bezug zu den Ursprüngen ihrer Nahrung verloren hat. Supermärkte und Lieferdienste bieten frische Produkte das ganze Jahr über, oft in ansprechender Verpackung und aus unbekannten Quellen. Viele Kinder glauben, dass die Tomaten in Plastikboxen wachsen und Bananen das ganze Jahr Saison haben. Der Unterschied zwischen einer Karotte und einer Petersilienwurzel ist für viele ebenso schwer erkennbar wie die Notwendigkeit einer bodenfreundlichen und nachhaltigen Landwirtschaft. Ein grundlegendes Verständnis für das, was es bedeutet, Lebensmittel selbst zu erzeugen, ist verloren gegangen. Die Konsequenzen dieser Entfremdung sind gravierend: Kinder und Jugendliche haben oft kein Bewusstsein für gesunde Ernährung, für die Wichtigkeit biologischer Vielfalt und für die Bedeutung eines gesunden Bodens.

Dieser Mangel an Wissen und Bezug zur Natur fördert zudem eine eher passive Haltung gegenüber unserer Umwelt. Statt sich aktiv mit der Nahrung und ihrer Entstehung auseinanderzusetzen, werden Kinder zu Konsument*innen, denen oft die Bedeutung eines ökologischen Kreislaufs und die Notwendigkeit von Nachhaltigkeit fehlt. Die Frage, wie eine solche Entfremdung umgekehrt werden kann, führte zur Idee eines Projekts, das genau hier ansetzt: durch spielerisches Lernen im Garten.

Das Projekt: Mini-Ökobauer*innen – ein Gemüsegarten für die nächste Generation

Das Projekt „Mini-Ökobauerinnen“ ist ein gemeinnütziges Start-up, das Kinder zwischen vier und zwölf Jahren auf eine spannende Reise durch den Kreislauf der Natur mitnimmt. Ins Leben gerufen wurde es von den beiden Gründerinnen Lena Koch und Michael Hartmann, die beide eine lange Historie im ökologischen Bildungsbereich haben. Lena, eine studierte Pädagogin mit einer Leidenschaft für Urban Gardening, und Michael, ein promovierter Biologe und früherer Leiter eines ökologischen Lernzentrums, fanden durch ihre gemeinsame Vision zueinander: Sie wollten Kindern nicht nur den Zugang zur Natur ermöglichen, sondern ihnen das Wissen vermitteln, das sonst zunehmend verloren geht. Im Jahr 2021 gründeten sie „Mini-Ökobauer*innen“ als eingetragenen Verein, mit dem Ziel, Kinder auf spielerische Weise mit nachhaltigem Gärtnern vertraut zu machen.

Das Projekt startet in städtischen Gemeinschaftsgärten, wo die Kinder eigene Hochbeete und kleine Anbauflächen bewirtschaften können. Unter Anleitung von Pädagoginnen und Ökologinnen lernen die Mini-Gärtner*innen, wie man Samen sät, Pflanzen pflegt und schließlich Gemüse und Kräuter erntet. Dabei bleibt nichts dem Zufall überlassen: Die Workshops sind auf die Jahreszeiten abgestimmt und vermitteln ganzheitlich den Kreislauf der Natur. Die Kinder entdecken, welche Insekten im Boden wichtig sind, warum Regenwürmer die besten Helfer sind und welche Pflanzen sich gegenseitig unterstützen können. Sie lernen auch, dass ein gesunder Boden entscheidend ist für das Wachstum und die Qualität ihrer Pflanzen.

Der Verein bietet neben regelmäßigen Workshops auch saisonale Veranstaltungen wie Erntedankfeste und Pflanzwettbewerbe an. Diese Events sind sowohl für die Kinder als auch für ihre Familien ein Highlight. „Wir hatten einmal einen Fünfjährigen, der unbedingt einen riesigen Kürbis züchten wollte,“ erzählt Lena lachend. „Er hat ihm einen Namen gegeben und war so stolz, als er tatsächlich der Größte im Beet wurde!“

Erfolgreiche Umsetzung: Wenn Kinder zu kleinen Gärtnern werden

Seit der Gründung hat das Projekt bereits mehrere kleine „Gärtner*innen-Jahrgänge“ erfolgreich durch die Naturzyklen geführt. Ein Highlight war die Zusammenarbeit mit einer Grundschule im Frankfurter Stadtteil Bornheim, wo die Kinder während eines Schuljahres ihr eigenes Gemüsebeet betreuen konnten. Der Schulleiter berichtet begeistert: „Es war beeindruckend zu sehen, wie schnell die Kinder das Gelernte umsetzten. Schon nach wenigen Wochen konnten sie die einzelnen Pflanzenarten bestimmen und wussten, wie man mit Schädlingen auf natürliche Weise umgeht.“

Eines der schönsten Beispiele ist ein Projekt, das mit einer sozialen Einrichtung in Frankfurt entstand. Hier hatten Kinder aus benachteiligten Familien die Möglichkeit, kostenlos an den Workshops teilzunehmen. Besonders stolz sind Lena und Michael auf einen Jungen, der im Frühjahr an einem Pflanzwettbewerb teilnahm und einen beeindruckenden Mangold zog. Die Freude, diesen selbst geernteten Mangold nach Hause zu bringen und der Familie zu zeigen, war für das ganze Team eine bewegende Bestätigung ihrer Arbeit. „Wenn wir sehen, dass Kinder durch den Garten ein neues Selbstbewusstsein entwickeln, dann wissen wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind,“ so Michael.

Die Vision für die Zukunft

„Mini-Ökobauer*innen“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur Kinder, sondern auch ganze Familien für nachhaltige Landwirtschaft zu sensibilisieren. Die Nachfrage nach den Programmen wächst stetig, und es gibt bereits Pläne, das Projekt auf andere Städte auszuweiten. Lena und Michael planen zudem, mit Kitas und weiteren Grundschulen zusammenzuarbeiten und langfristig auch Ferienprogramme anzubieten, damit Eltern ihre Kinder gezielt in den Schulferien für ein paar Tage in die Natur schicken können.

„Unser Ziel ist es, dass jedes Kind, das unser Programm durchlaufen hat, sich als Teil des großen Kreislaufs der Natur versteht und ein Bewusstsein für gesunde, nachhaltige Ernährung mit nach Hause nimmt“, sagt Lena. Und die Kinder? Die Mini-Ökobauerinnen? Sie sind jetzt kleine Gärtnerinnen, die genau wissen, dass eine Tomate nicht im Supermarktregal wächst.


Quellenangaben

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