Kulturwanderungen für Kinder und Familien: Eine spielerische Entdeckungsreise durch die Stadt

 

Problem: Die unsichtbare Kultur für Kinder sichtbar machen

Viele Städte bieten ihren Bewohnern und Besuchern eine reiche kulturelle Vielfalt – von historischen Gebäuden über Museen bis hin zu lebhaften Straßenkunstwerken. Doch dieses Erbe bleibt oft unsichtbar für jene, die es am meisten prägen und weitertragen könnten: Kinder und Familien. Stadtführungen oder kulturelle Angebote sind oft auf Erwachsene ausgerichtet, vollgepackt mit Daten und Fakten, die zwar historisch bedeutsam, für junge Zuhörer jedoch schwer zugänglich und wenig inspirierend sind.

Die Frage, die sich stellt, ist: Wie können Kinder frühzeitig und auf spielerische Weise für ihre kulturelle Umgebung begeistert werden? Denn Kultur ist kein abstraktes Konstrukt – sie lebt in unserer Sprache, Architektur, Musik und den Geschichten, die wir uns erzählen. Sie ist das Fundament unserer Identität. Eine Generation, die ihre Stadt als bloße Ansammlung von Straßen und Gebäuden sieht, verpasst die Möglichkeit, ihre Wurzeln zu entdecken und zu verstehen, was sie zu einem Teil der Gesellschaft macht.

Ein weiteres Problem ist die fehlende Verbindung zwischen Kultur und Bildung im Alltag. Während in Schulen das Fach „Kultur“ oft eine untergeordnete Rolle spielt, gibt es kaum Angebote, die Kultur, Geschichte und Bildung miteinander verschmelzen und Kindern ein umfassendes, erlebnisreiches Bild ihrer Umgebung vermitteln. Hier setzt das Projekt Kulturwanderungen für Kinder und Familien an – eine Idee, die Kultur auf kinderfreundliche und aufregende Weise zugänglich machen möchte.

Das Projekt: Kulturwanderungen für Kinder und Familien

Die Initiative Kulturwanderungen für Kinder und Familien entstand 2022 in München, ins Leben gerufen von dem Historikerpaar Katharina und Tobias Albrecht. Die Albrechts hatten während ihrer eigenen Familienausflüge bemerkt, wie sehr es an kindgerechten, interaktiven Kulturangeboten mangelt. Als Eltern zweier kleiner Kinder stellten sie schnell fest, dass es in vielen Stadtführungen entweder zu abstrakt oder schlicht zu langweilig zuging, um das Interesse der Kinder zu wecken. Also beschlossen sie, ein eigenes Projekt zu starten, das eine Brücke zwischen Kultur und Familienunterhaltung schlagen sollte.

Das Projekt wurde als gemeinnützige GmbH gegründet und besteht inzwischen aus einem kleinen Team von sechs Personen, das aus Historikern, Pädagogen und IT-Experten zusammengesetzt ist. Unterstützt wird die Initiative von der Stadt München, die das Projekt großzügig fördert und mit der Bereitstellung kultureller Daten aktiv unterstützt. Die Idee ist simpel, aber innovativ: Kulturwanderungen, die speziell auf die Bedürfnisse und das Interesse von Kindern und Familien abgestimmt sind. Jede Wanderung ist einem bestimmten kulturellen Thema gewidmet und führt Familien durch die Stadt, vorbei an historischen Orten, beeindruckenden Bauwerken und kulturellen Wahrzeichen, die speziell für das junge Publikum aufbereitet sind.

Spielerische Entdeckungsreisen – Kultur wird lebendig

Die Wanderungen sind keine gewöhnlichen Spaziergänge. An jedem Haltepunkt befinden sich QR-Codes, die auf kindgerechte Audioaufnahmen, Videos oder kurze Quizfragen verlinken, die die Kinder selbstständig mit dem Smartphone scannen und abspielen können. Die Inhalte sind auf eine Weise gestaltet, die sowohl Kinder als auch Eltern anspricht. So erzählt beispielsweise der sprechende Löwe an der Residenz über die Baukunst und erklärt, warum manche Türen früher absichtlich so klein gestaltet wurden. Oder die Straßenlaterne in der Altstadt berichtet über die frühe Geschichte der Beleuchtung in München und wie das Leben damals nach Einbruch der Dunkelheit aussah.

Die Inhalte werden in enger Zusammenarbeit mit lokalen Historikern und Pädagogen erstellt und sorgen dafür, dass die Geschichte lebendig und verständlich erzählt wird. Schulen haben bereits Interesse daran gezeigt, die Wanderungen in ihren Lehrplan zu integrieren, und planen diese als interaktive Ausflugsziele. Eine eigens entwickelte App bietet eine Übersicht über alle verfügbaren Touren und ermöglicht es den Familien, die Wanderungen nach eigenem Interesse und Tempo durchzuführen. Dabei sorgt ein Punktesystem dafür, dass die Kinder spielerisch motiviert werden, alle Stationen zu besuchen und am Ende eine kleine Belohnung zu erhalten.

Erfolgreiche Projekte und erste Erfolge: Familien lieben die neuen Kulturwanderungen

Schon die erste Tour, die im Sommer 2022 unter dem Titel „Die Geschichte der Musik in München“ stattfand, war ein voller Erfolg. Die Route führte durch das Glockenbachviertel, bekannt für seine Künstlergeschichte und die lebendige Musikszene. An einer Stelle konnten die Kinder die berühmten Münchner Straßenmusikanten auf einer interaktiven Karte kennenlernen und erfuhren, dass diese schon seit Jahrhunderten die Straßen mit Musik erfüllten.

Eine der beliebtesten Stationen auf dieser Tour war der Viktualienmarkt, wo Kinder über den QR-Code auf einen kleinen, interaktiven Film zugreifen konnten, in dem sie erfuhren, wie die Marktschreier früher die Passanten unterhielten. Katharina Albrecht erinnert sich an eine besonders schöne Anekdote: „Ein kleines Mädchen, etwa fünf Jahre alt, fragte uns nach der Führung, ob es selbst einmal als Marktschreierin arbeiten könne. Da wussten wir, dass unsere Idee wirklich etwas bewirkt.“

Die zweite Tour „Entdecke die Baukunst deiner Nachbarschaft“ brachte den Kindern die verschiedenen Baustile näher und zeigte ihnen die kleinen Details, die sie sonst im Alltag übersehen. Ein Junge, der sich besonders für die alten Tore und Fenster der historischen Gebäude interessierte, erklärte seiner Mutter nach der Tour stolz, dass er nun die Bauweise der Barockzeit erkenne. Solche Reaktionen sind es, die das Team der Kulturwanderungen motivieren und bestätigen, dass das Konzept den gewünschten Effekt erzielt – eine neue Generation, die ihre Stadt nicht nur sieht, sondern auch versteht.

Blick in die Zukunft: Eine App für jede Stadt

Das Team von Kulturwanderungen für Kinder und Familien hat große Pläne. In den kommenden Jahren möchten sie das Konzept auch in anderen Städten etablieren und dort lokale Historiker und Schulen einbinden. Jede Stadt hat ihre eigenen Geschichten, und das Ziel ist, Kindern in jeder Region einen neuen Zugang zu ihrer kulturellen Identität zu eröffnen. Ein kleiner Schritt in Richtung einer bewussteren, kulturell gebildeten und nachhaltig denkenden Gesellschaft.

Quellenangaben

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