Fairer Zugang zur Gesundheitsversorgung: Mobile Diagnostikstationen mit Künstlicher Intelligenz (KI) revolutionieren ländliche Regionen

Gesundheit ist ein Grundrecht – und dennoch bleibt der Zugang zu einer guten medizinischen Versorgung weltweit stark ungleich verteilt. In vielen ländlichen und abgelegenen Regionen, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern, existieren kaum Gesundheitszentren oder medizinische Fachkräfte. Die Menschen dort sind oft auf sporadische Gesundheitsprogramme angewiesen, die meist weder ausreichend noch kontinuierlich sind. Infolgedessen bleiben viele Erkrankungen unerkannt und unbehandelt, was nicht nur das individuelle Leben beeinträchtigt, sondern auch das wirtschaftliche Potenzial der betroffenen Regionen schmälert.

Das Problem der Unterversorgung hat sich in den vergangenen Jahren durch den globalen Ärztemangel und die hohen Kosten für die Ausbildung und den Einsatz von medizinischem Personal weiter verschärft. Diejenigen, die es sich leisten können, reisen häufig in die Städte, um eine grundlegende Behandlung zu erhalten – eine Option, die allerdings Zeit und Geld erfordert und für viele keine realistische Lösung ist. Besonders chronische Krankheiten wie Diabetes und Bluthochdruck, die langfristige Betreuung erfordern, bleiben so oft unbehandelt und führen zu schweren gesundheitlichen Folgen. Hier setzt eine innovative Idee an, die mithilfe moderner Technologien und künstlicher Intelligenz (KI) eine faire Gesundheitsversorgung direkt zu den Menschen bringt: Mobile Diagnostikstationen.

Die Lösung: Mobile Diagnostikstationen mit KI – Gesundheit vor Ort ermöglichen

Vor rund fünf Jahren, auf einer Gesundheitskonferenz in Nairobi, trafen die beiden Projektgründerinnen Priya Kapoor aus Indien und Amani Mwangi aus Kenia aufeinander. Beide hatten langjährige Erfahrungen in der Gesundheitsentwicklung und standen vor den gleichen Herausforderungen in ihren Heimatländern. Trotz des enormen Bedarfs an medizinischen Dienstleistungen in ländlichen Gebieten gab es kaum tragfähige Lösungen, um diese Regionen effizient und regelmäßig zu versorgen. Inspiriert von Fortschritten in der Künstlichen Intelligenz beschlossen sie, eine gemeinnützige Organisation zu gründen, die speziell auf die Entwicklung und den Einsatz mobiler Diagnostikstationen ausgerichtet ist. Ihre Organisation, „Health on Wheels“, registriert als NGO mit Hauptsitz in Nairobi, begann als kleines Team aus Gesundheits- und IT-Experten und zählt heute über 50 Mitarbeitende, die aktiv an der Weiterentwicklung des Projekts arbeiten.

Die mobilen Diagnostikstationen von „Health on Wheels“ sind speziell angepasste Fahrzeuge, ausgestattet mit modernen Diagnosetools und KI-Software. Diese Stationen besuchen regelmäßig abgelegene Dörfer, wo die Bewohner Zugang zu Basisuntersuchungen und präventiven Maßnahmen erhalten. Durch KI-gestützte Technologien können wichtige Gesundheitsparameter wie Herzfrequenz, Blutdruck, Blutzucker und Sauerstoffsättigung schnell und präzise erfasst werden. Die KI-Algorithmen analysieren die gesammelten Daten und geben Diagnoseempfehlungen, die dann von den medizinischen Fachkräften weiterverfolgt werden können. Das System ist so konzipiert, dass es einfach bedient werden kann und somit auch einheimisches Personal rasch geschult werden kann.

In der Anfangsphase wurden die Fahrzeuge und die Diagnosetechnologie mithilfe von Spenden und Crowdfunding finanziert. Heute besteht eine Kooperation mit großen NGOs und Technologieunternehmen, die das Projekt weiter fördern. Diese Partnerschaften helfen dabei, die Hardware und Software auf dem neuesten Stand zu halten und den Betrieb in weiteren Ländern zu ermöglichen.

Erfolgsgeschichten und Herausforderungen: Pilotprojekte in Indien und Kenia

Bereits im ersten Jahr konnte „Health on Wheels“ die ersten Pilotprojekte in Indien und Kenia starten. Ein Beispiel ist das Dorf Nanyuki, eine abgelegene Gemeinde im Zentrum Kenias, wo das mobile Diagnostikteam erstmals zum Einsatz kam. Mary Kamau, eine Bewohnerin und Mutter von vier Kindern, hatte jahrelang an Symptomen wie Kopfschmerzen und Atemnot gelitten, die sie auf ihr Alter und die körperlich anstrengende Arbeit zurückführte. Beim Besuch der mobilen Station wurde ihr Bluthochdruck diagnostiziert, und sie erhielt Anweisungen zur Lebensstiländerung sowie eine medikamentöse Erstversorgung. „Die mobile Station hat mir das Leben gerettet“, sagt sie. „Ich hatte nie gedacht, dass ich eine solche Diagnose erhalte, und schon gar nicht, dass mir vor Ort geholfen werden könnte.“

Ähnliche Erfolgsgeschichten zeigen sich auch in den ländlichen Gebieten Indiens. Dort helfen die Stationen besonders bei der Diagnose und Früherkennung von Diabetes. Ein weiteres Beispiel ist ein Projekt im ländlichen Gujarat, wo die Stationen bereits 1.200 Menschen auf Diabetes-Risiko getestet haben. Die KI-Analyse stellte bei über 300 Personen erhöhte Werte fest, die daraufhin zu weiteren Untersuchungen in nahegelegene Kliniken überwiesen wurden. Durch diese gezielte Vorsorge wurden Komplikationen frühzeitig erkannt und behandelt.

Inzwischen hat „Health on Wheels“ aus den Erfahrungen der ersten Jahre gelernt und das Angebot erweitert: Neben der Basisdiagnostik bietet das Team jetzt regelmäßige Aufklärungskurse zur Prävention und Gesundheitsvorsorge an. Diese Schulungen, meist in Form kurzer, einfach verständlicher Vorträge und praktischer Anleitungen, sind für die Bewohner kostenlos und sollen das Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung stärken. Dabei werden auch ortsansässige Gesundheitspfleger eingebunden, die die Aufklärung langfristig weiterführen.

Ausblick: Das Potenzial für weltweite Anwendungen

„Health on Wheels“ plant, das erfolgreiche Konzept weiter auszubauen und in weiteren Regionen zu etablieren. Gerade in Afrika und Asien gibt es nach wie vor viele Gebiete ohne kontinuierliche Gesundheitsversorgung. Die Organisation arbeitet derzeit daran, die Technologie zu verfeinern und an verschiedene Krankheitsbilder anzupassen, um in Zukunft auch andere medizinische Diagnosen wie Lungenerkrankungen und Mangelernährung schneller und präziser erkennen zu können.

Langfristig strebt „Health on Wheels“ an, die mobile Diagnostik weltweit als Modellprojekt für andere NGOs und Gesundheitsbehörden zu etablieren. Besonders durch den Einbezug lokaler Gemeinschaften und die Nutzung modernster Technologien könnte ein tragfähiges, nachhaltiges System geschaffen werden, das weltweit die medizinische Chancengleichheit verbessert. Ein Grundrecht auf Gesundheit rückt damit für viele Menschen in greifbare Nähe.

Quellen

  1. WHO, 2021. Universal Health Coverage (UHC). World Health Organization. [online] Available at: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/universal-health-coverage-(uhc) [Accessed 3 Nov. 2024].
  2. World Bank, 2022. The Global Health Financing Landscape. The World Bank. [online] Available at: https://www.worldbank.org/en/topic/universalhealthcoverage/overview [Accessed 3 Nov. 2024].
  3. Kapoor, P. and Mwangi, A., 2023. Health on Wheels: A Mobile Diagnostic Initiative. Health Journal of Africa, 10(4), pp.213-217. [online] Available at: https://healthjournalofafrica.org/2023/health-on-wheels/ [Accessed 3 Nov. 2024].
  4. International Diabetes Federation, 2021. Diabetes Atlas, 10th Edition. [online] Available at: https://www.diabetesatlas.org/ [Accessed 3 Nov. 2024].

 

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