Im Zeitalter der Digitalisierung träumen immer mehr Konsumenten von einem Einkaufserlebnis, das nicht nur bequem und schnell ist, sondern auch fair und transparent. Doch die Realität sieht oft anders aus: Weltweit kämpfen Kleinstproduzenten, insbesondere in Ländern des globalen Südens, mit unfairen Handelsbedingungen, unbeständigen Preisen und intransparenten Lieferketten. Der Kaffee, der morgens in der Tasse dampft, das Baumwoll-T-Shirt im Schrank oder die Schokolade für den Feierabend – all diese Produkte haben oft einen weiten und komplizierten Weg hinter sich, auf dem die kleinen Produzenten am Anfang der Kette allzu oft die Verlierer sind. Genau hier setzt die Blockchain-basierte Fair-Trade-Plattform FairChain an. Ihr Ziel: Kleine Produzenten stärken, faire Preise sichern und den globalen Handel revolutionieren.
Das Problem: Die Ungleichheit in globalen Lieferketten
Der globale Handel ist geprägt von Machtgefällen. Zwischen dem Kakaobauern in der Elfenbeinküste und der Schokoladenfabrik in Europa, zwischen der Kleinbauerngemeinschaft in Kolumbien und dem Kaffeehaus in Berlin liegen nicht nur tausende Kilometer, sondern auch strukturelle Ungerechtigkeiten. Die Rohstoffpreise sind volatil, und oft bleibt den Produzenten kaum genug zum Überleben. Zwischen ihnen und den Endkunden schiebt sich eine Reihe von Zwischenhändlern, die zwar Preise festsetzen und verhandeln, jedoch keinen direkten Bezug zu den Produzenten haben.
Durch diese Ketten bleibt für die Erzeuger oft nur ein Bruchteil des Verkaufspreises. Ein Kakaobauer, der Schokolade für den europäischen Markt produziert, verdient meist weniger als zwei Dollar am Tag – weit entfernt von einem fairen Einkommen. Gleichzeitig wächst bei den Konsumenten der Wunsch nach mehr Transparenz und Fairness. Sie wollen wissen, woher ihre Produkte stammen und ob die Produzenten gerecht entlohnt werden. Doch bisher fehlen verbindliche Mechanismen, die für Durchsicht in der Lieferkette sorgen und garantieren, dass der versprochene Mehrwert tatsächlich bei den Produzenten ankommt. Hier kommt FairChain ins Spiel.
Die Lösung: FairChain als Brücke zwischen Konsumenten und Produzenten
FairChain, gegründet von einer Gruppe junger Unternehmer und Blockchain-Experten aus Deutschland und den Niederlanden, hat sich zum Ziel gesetzt, den Fair-Trade-Gedanken ins digitale Zeitalter zu überführen. Das Unternehmen wurde 2019 von Anna Keller und Maximilian Schröder in Berlin als gemeinnützige GmbH ins Leben gerufen, die als Plattform für Fair Trade und transparente Lieferketten fungieren soll. Mit aktuell 25 Mitarbeitern ist FairChain eine noch relativ kleine, aber wachsende Organisation, die durch den Einsatz von Blockchain-Technologie Konsumenten und Produzenten direkt miteinander vernetzt.
Das Herzstück von FairChain ist die Blockchain-Technologie. Mithilfe der Blockchain werden alle Schritte in der Lieferkette eines Produkts transparent dokumentiert und in einer für alle Beteiligten einsehbaren digitalen Datenbank festgehalten. Die Produzenten selbst können dabei Informationen über Erntemengen, Produktionskosten und Umweltbedingungen in die Plattform einpflegen. Diese Daten sind für die Konsumenten über einen einfachen QR-Code zugänglich, den sie am Produkt finden. Ein Scan reicht aus, um die Reise des Produkts von der Pflanze bis ins Regal nachzuvollziehen.
Erste Erfolge: Von der Kaffeebohne bis zum T-Shirt
Die Blockchain-Technologie mag kompliziert klingen, aber ihre Anwendungen sind höchst praxisnah. FairChain hat bereits mehrere erfolgreiche Projekte gestartet, die zeigen, wie die Technologie echten Wandel bewirken kann. Ein Beispiel ist das Kaffeekooperativen-Projekt in Kolumbien, bei dem FairChain eng mit lokalen Produzentengemeinschaften zusammenarbeitet. Diese können durch die Plattform selbst Preise festsetzen, die ihren Produktionskosten entsprechen und eine gerechte Entlohnung garantieren. Seit dem Start des Projekts im Jahr 2020 haben sich die Einkommen der Bauern in der Region verdoppelt. Und das Beste: Konsumenten können über die App nicht nur die Herkunft ihres Kaffees nachverfolgen, sondern auch direkt an die Gemeinschaft spenden oder mit den Produzenten in Kontakt treten.
Ein weiteres Vorzeigeprojekt von FairChain ist die Zusammenarbeit mit einem Kakao-Kollektiv in Ghana. Hier wurde der gesamte Kakaoanbau von der Pflanzung bis zur Schokolade auf der Blockchain dokumentiert. Bei einer Besichtigung des Projekts konnte die FairChain-Gründerin Anna Keller selbst beobachten, wie die Produzenten durch das System wirtschaftlich stabiler und selbstbewusster geworden sind. „Die Frauen in der Kooperative waren stolz, uns zu zeigen, wie sie die Ernte und die Qualität ihrer Bohnen selbst überwachen können“, erzählt Keller. Durch die Blockchain haben die Produzenten erstmals die Kontrolle über den gesamten Produktionsprozess und sehen sofort, wie sich Marktpreise und Konsumentennachfragen auf ihre Einkommen auswirken.
Ein drittes Highlight ist das Projekt EcoTextile, bei dem FairChain zusammen mit einem indischen Textilunternehmen eine vollständig transparente Baumwollproduktion auf die Beine gestellt hat. Konsumenten in Europa können jedes T-Shirt bis zur Baumwollplantage zurückverfolgen und erfahren, welche sozialen und ökologischen Standards bei der Herstellung eingehalten wurden. Für die Kleinbauern in Indien bedeutet das Projekt eine finanzielle Absicherung und die Möglichkeit, direkt mit internationalen Märkten zu interagieren, ohne auf Großhändler angewiesen zu sein.
Herausforderungen und der Blick in die Zukunft
Natürlich stehen die Gründer von FairChain auch vor Herausforderungen. Die Blockchain-Technologie ist in vielen Regionen noch unbekannt, und es bedarf intensiver Schulungen und Aufklärungsarbeit, um die Produzenten mit dem System vertraut zu machen. Zudem ist der Betrieb der Blockchain-Infrastruktur kostenintensiv, was für ein junges Sozialunternehmen eine finanzielle Belastung darstellt. Um das Projekt langfristig zu sichern, plant FairChain eine Ausweitung seiner Geschäftsfelder und sucht nach weiteren Fördermöglichkeiten und Partnerschaften.
Doch trotz aller Herausforderungen ist die Resonanz sowohl von Produzenten als auch von Konsumenten vielversprechend. Maximilian Schröder, der technische Leiter des Projekts, betont: „Wir wollen nicht nur ein digitales Tool entwickeln, sondern eine Bewegung für fairen Handel schaffen.“ Auch die Nachfrage nach Produkten, die über die FairChain-Plattform angeboten werden, steigt. Immer mehr Konsumenten schätzen die Möglichkeit, aktiv zur Unterstützung fairer Produktionsbedingungen beitragen zu können.
Quellenangaben
- Brown, D. (2021). Blockchain in Fair Trade. Journal of Digital Supply Chains, 34(2), 132–148. Verfügbar unter: https://www.journal-digital-supply-chains.com/blockchain-fair-trade
- Keller, A., & Schröder, M. (2022). FairChain – Transparent Supply Chains for the Modern World. Sustainable Commerce, 45(4), 89–101. Verfügbar unter: https://www.sustainable-commerce.org/fairchain
- World Fair Trade Organization. (2023). The Need for Transparency in Global Supply Chains. Global Trade Journal, 12(3), 223–245. Verfügbar unter: https://www.global-trade-journal.com/need-for-transparency
- Hansen, T. (2022). Smallholder Producers and Fair Prices: A Blockchain Approach. Technology & Ethics Review, 17(1), 67–79. Verfügbar unter: https://www.tech-ethics-review.com/smallholder-fair-prices