Schweine im Wald statt im Stall?
Die industrielle Tierhaltung steht seit Jahren in der Kritik. Enge Ställe, monotones Futter und der Einsatz von Antibiotika werfen nicht nur ethische, sondern auch ökologische und gesundheitliche Fragen auf. Die moderne Landwirtschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, möglichst effizient Fleisch zu produzieren, was oft zu Lasten des Tierwohls und der Umwelt geht. Verbraucherinnen und Verbraucher fordern zunehmend Alternativen – doch diese umzusetzen, ist oft leichter gesagt als getan.
Massentierhaltung hat weitreichende Konsequenzen: Die Tiere leiden unter Bewegungsmangel, Stress und Krankheitsanfälligkeit. Gleichzeitig entstehen enorme Mengen Gülle, die Böden und Gewässer belasten. Schweine, die ursprünglich als robuste und intelligente Tiere bekannt sind, verkommen zu Fleischlieferanten, die ihr Leben unter künstlichem Licht und auf Betonböden fristen. Doch es gibt Menschen, die bereit sind, einen anderen Weg zu gehen.
Die Lösung: Schweine im Wald
Michael Bär und Rupert Stäbler, zwei innovative Landwirte aus Baden-Württemberg, haben es sich zur Aufgabe gemacht, das Leben der Schweine im Wald grundlegend zu verbessern. Statt sie in Ställen zu halten, lassen sie ihre Tiere in einem 140.000 Quadratmeter großen Wald leben. Ihre Schweine im Wald, eine Mischung aus Schwäbisch-Hällischen und Deutscher Landrasse, wachsen hier unter nahezu natürlichen Bedingungen auf. Es handelt sich um eine kleine, aber feine Herde von etwa 100 Tieren.
Die Idee ist so einfach wie genial: Schweine sind ursprünglich Waldbewohner. Sie lieben es zu wühlen, zu laufen und ihre Umgebung zu erkunden. In ihrem natürlichen Habitat können sie ihren angeborenen Instinkten nachgehen. Gleichzeitig profitieren die Landwirte von gesünderen Tieren und qualitativ hochwertigem Fleisch, das bei Verbrauchern auf große Nachfrage stößt.
Wie alles begann
Michael Bär, ein gelernter Landwirt, und Rupert Stäbler, ein Forstwirt, kannten sich bereits seit Jahren. Beide teilten die Leidenschaft für nachhaltige Landwirtschaft und eine Liebe zur Natur. 2018 gründeten sie gemeinsam das Projekt „Waldschwein GbR“. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, eine Rechtsform, die besonders flexibel und für kleinere Unternehmen geeignet ist, war für sie die perfekte Lösung.
Die beiden Männer starteten zunächst mit nur 20 Schweinen, um ihre Idee zu testen. Die Tiere wurden in einem Teil des Waldes gehalten, der zuvor ungenutzt war. Schnell zeigte sich, dass die Schweine im Wald nicht nur gesund blieben, sondern auch deutlich weniger Stress zeigten als Tiere aus herkömmlicher Haltung. Das Projekt wurde ausgeweitet, und heute kümmern sich Bär und Stäbler um 100 Schweine auf einer Fläche, die fast 20 Fußballfeldern entspricht.
Herausforderungen und Erfolge
Natürlich lief nicht alles reibungslos. Eine der größten Herausforderungen war es, die Schweine im weitläufigen Waldgebiet zu finden. „Manchmal brauchen wir Stunden, um alle Tiere zusammenzutreiben“, erzählt Michael Bär. Doch die Mühe lohnt sich: Die Schweine im Wald entwickeln sich prächtig und zeigen ein Verhalten, das man bei Tieren aus konventioneller Haltung kaum beobachten kann. Sie sind neugierig, sozial und erstaunlich eigenständig.
Die Arbeit der beiden Landwirte wurde schnell bekannt. 2021 erhielt das Projekt eine Auszeichnung für nachhaltige Landwirtschaft vom Land Baden-Württemberg. Auch die Nachfrage nach ihrem Fleisch stieg rapide an. Kunden schätzen die hohe Qualität und das Wissen, dass die Tiere ein artgerechtes Leben hatten. Das Fleisch wird direkt vermarktet – ein Konzept, das kurze Transportwege und einen fairen Preis für die Landwirte ermöglicht.
Ein Blick in die Praxis
Der Alltag im „Waldschwein“-Projekt ist alles andere als gewöhnlich. Während andere Landwirte ihre Tiere im Stall betreuen, streifen Bär und Stäbler durch den Wald. Sie kontrollieren Zäune, füllen Futterstellen auf und überwachen die Gesundheit der Tiere. „Es ist manchmal wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen“, scherzt Rupert Stäbler. Doch die Schweine im Wald wissen genau, wo es Futter gibt, und kommen meist von selbst, wenn die beiden Männer rufen.
Eine der wohl eindrucksvollsten Geschichten aus dem Projekt erzählt von einer Sau, die ihre Ferkel an einer besonders geschützten Stelle im Wald zur Welt brachte. Die Tiere wurden erst entdeckt, als die Kleinen bereits drei Wochen alt waren – gesund und kräftig. „Das zeigt, wie gut sich die Schweine im Wald hier selbst organisieren können“, sagt Michael Bär stolz.
Die Zukunft der Landwirtschaft?
Das „Waldschwein“-Projekt hat nicht nur regional, sondern auch überregional Aufmerksamkeit erregt. Es stellt eine Alternative zur Massentierhaltung dar und zeigt, dass artgerechte Tierhaltung und wirtschaftlicher Erfolg kein Widerspruch sein müssen. Die beiden Gründer hoffen, dass ihr Modell Schule macht und von anderen Landwirten übernommen wird.
Der Erfolg gibt ihnen recht: In den letzten fünf Jahren haben sie ihre Herde kontinuierlich vergrößert und ihre Methoden verbessert. Sie arbeiten inzwischen mit Biologen und Agrarwissenschaftlern zusammen, um die Haltung noch weiter zu optimieren.
Fazit
Das Projekt von Michael Bär und Rupert Stäbler zeigt, dass nachhaltige Landwirtschaft möglich ist – auch ohne riesige Investitionen oder industrielle Strukturen. Ihre Schweine leben artgerecht, und die Landwirte können ein hochwertiges Produkt anbieten, das Kunden überzeugt. Es ist ein Beispiel dafür, wie Tradition und Innovation Hand in Hand gehen können, um die Landwirtschaft von morgen zu gestalten.
Quellen
- Baden-Württemberg.de. (2021). Nachhaltige Landwirtschaft ausgezeichnet. Schweine im Wald Verfügbar unter: https://www.baden-wuerttemberg.de
- Süddeutsche Zeitung. (2022). Schweine im Wald: Ein alternatives Modell. Verfügbar unter: https://www.sueddeutsche.de
- Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. (2020). Tierwohl in der Landwirtschaft. Verfügbar unter: https://www.bmel.de
- Verbraucherzentrale.de. (2023). Fleischkonsum und Nachhaltigkeit. Verfügbar unter: https://www.verbraucherzentrale.de
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