Antje von Dewitz: Wie die Gemeinwohl-Ökonomie Vaude transformierte und zum Vorbild machte

Ein Zeichen für nachhaltigen Wandel

Antje von Dewitz, Geschäftsführerin des deutschen Outdoor-Ausrüsters Vaude, wurde als „Entrepreneur des Jahres“ ausgezeichnet. Diese Ehrung verdeutlicht, dass Wirtschaft und Gemeinwohl keine Gegensätze sein müssen, sondern sich ergänzen können. Unter ihrer Führung hat Vaude nicht nur wirtschaftliche Erfolge gefeiert, sondern ist auch ein Vorbild für Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung geworden. Doch wie gelang dieser bemerkenswerte Wandel, und warum ist er gerade in der heutigen Zeit so bedeutsam?

Das Problem: Eine Wirtschaft, die oft auf Kosten anderer arbeitet

Die klassische Wirtschaft funktioniert in weiten Teilen nach einem simplen Prinzip: Maximierung von Profit, häufig zulasten von Umwelt, Arbeitnehmern oder globaler Gerechtigkeit. Dieses System hat die Erde an den Rand ökologischer Krisen geführt, wie Klimawandel, Artensterben und Ressourcenknappheit zeigen. Doch auch soziale Ungleichheit und schlechte Arbeitsbedingungen sind direkte Folgen dieser Wirtschaftsweise.

Gerade in der Outdoor-Branche, die Produkte für die Naturbegeisterten dieser Welt entwickelt, zeigt sich die Ambivalenz besonders deutlich: Viele Unternehmen haben ein Image der Nachhaltigkeit, produzieren aber unter Bedingungen, die weder ökologisch noch sozial gerecht sind. Umweltverschmutzung durch chemische Stoffe, lange Transportwege und ausbeuterische Arbeitsverhältnisse in Produktionsländern sind weit verbreitet. Vaude stand, wie viele andere Firmen, vor der Herausforderung, diesen Widerspruch aufzulösen. Doch Antje von Dewitz wollte mehr als nur Symptome bekämpfen – sie wollte das System neu denken.

Die Lösung: Vaude und die Gemeinwohl-Ökonomie

Vaude wurde 1974 von Albrecht von Dewitz gegründet und war lange ein klassisch geführtes Familienunternehmen. Antje von Dewitz, die Tochter des Gründers, stieß erst später zur Firma hinzu. Ursprünglich wollte sie in NGOs arbeiten, um gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben. Doch irgendwann erkannte sie, dass ein Unternehmen wie Vaude ein mächtiges Werkzeug für soziale und ökologische Veränderungen sein kann. Der Schlüssel? Die Prinzipien der Gemeinwohl-Ökonomie.

Die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) ist ein alternatives Wirtschaftsmodell, das den Erfolg eines Unternehmens nicht ausschließlich an finanziellen Kennzahlen misst, sondern an seinem Beitrag zum Gemeinwohl. Kriterien wie ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung stehen im Fokus. Antje von Dewitz erkannte, dass diese Philosophie perfekt zu Vaude passte – und machte sie zum Leitbild des Unternehmens.

Unter ihrer Führung wurde Vaude 2011 als eines der ersten Unternehmen nach den Standards der Gemeinwohl-Ökonomie bilanziert. Dabei werden nicht nur Gewinne, sondern auch Faktoren wie die Qualität der Arbeitsbedingungen, ökologische Verantwortung und der Umgang mit Partnern bewertet. Dieses System bietet einen ganzheitlichen Blick auf die tatsächlichen Auswirkungen eines Unternehmens.

Ein mutiger Führungsstil

Antje von Dewitz’ Führungsstil ist eng mit den Prinzipien der GWÖ verknüpft. Sie glaubt fest an Mitbestimmung und Transparenz. So werden bei Vaude Entscheidungen oft im Team getroffen, und Mitarbeiter dürfen in vielen Bereichen mitentscheiden. Dies schafft nicht nur ein hohes Maß an Identifikation mit dem Unternehmen, sondern fördert auch innovative Ideen.

Antje selbst beschreibt ihren Einstieg ins Unternehmen als herausfordernd. Viele Entscheidungen wurden ihr anfänglich zurückgegeben mit Sätzen wie: „Mach du mal.“ Doch anstatt Kontrolle an sich zu reißen, suchte sie nach Wegen, ihre Vision zu teilen und andere mitzunehmen. Heute spiegelt sich dieser Ansatz in der gesamten Unternehmenskultur wider.

Vaude in Zahlen und Fakten

Vaude hat sich zu einem der führenden Unternehmen der Outdoor-Branche entwickelt. Mit Sitz in Tettnang am Bodensee beschäftigt die Firma rund 550 Mitarbeiter und ist mittlerweile auch international erfolgreich. Besonders hervorzuheben ist das firmeneigene Gebäude, das nach strengen ökologischen Standards errichtet wurde und als eines der nachhaltigsten Betriebsgebäude Deutschlands gilt.

Das Unternehmen bietet ein breites Sortiment von Outdoor-Produkten an, darunter Rucksäcke, Zelte, Bekleidung und Schuhe. Dabei setzt Vaude auf umweltfreundliche Materialien, wie recyceltes Polyester oder Bio-Baumwolle, und eine transparente Lieferkette. 2022 wurde bekannt, dass Vaude bereits zu 100 % klimaneutral ist – sowohl am Standort in Tettnang als auch bei allen Produkten.

Erfolgsbeispiele: Vom Konzept zur Realität

Die Prinzipien der Gemeinwohl-Ökonomie klingen in der Theorie beeindruckend, doch wie funktionieren sie in der Praxis? Ein Blick auf einige konkrete Projekte zeigt, wie Vaude die Theorie in die Realität umsetzt.

Faire Lieferketten

Ein Beispiel ist der Umgang mit Lieferanten. Vaude arbeitet eng mit Partnern zusammen, die ebenfalls hohe ökologische und soziale Standards erfüllen. Dies bedeutet oft, dass das Unternehmen höhere Preise zahlt, um faire Löhne und Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Doch diese Mehrkosten sieht Antje von Dewitz als Investition in langfristige Beziehungen und Qualität.

Ein Lieferant aus Vietnam, mit dem Vaude seit Jahren zusammenarbeitet, berichtet in einem Interview (siehe Nachhaltigkeitsbericht von Vaude), dass die Zusammenarbeit mit Vaude ihn dazu motiviert habe, selbst nachhaltiger zu produzieren und den Mitarbeitern bessere Bedingungen zu bieten. Dieses Beispiel zeigt, wie ein einzelnes Unternehmen auch auf globaler Ebene Veränderungen bewirken kann.

Die Vaude Academy

Ein weiterer Meilenstein ist die Gründung der Vaude Academy. Dieses Bildungsprojekt bietet Unternehmen, auch Wettbewerbern, Unterstützung dabei, nachhaltiger zu wirtschaften. Die Academy teilt Wissen und Erfahrungen, um anderen den Einstieg in eine gemeinwohlorientierte Wirtschaft zu erleichtern. Dies ist ein bemerkenswerter Schritt, da viele Firmen ihr Wissen als Wettbewerbsvorteil betrachten und nicht teilen. Doch Antje von Dewitz ist überzeugt, dass Nachhaltigkeit nur durch Kooperation gelingen kann.

Produkte mit langer Lebensdauer

Ein Kernaspekt der Nachhaltigkeitsstrategie ist die Langlebigkeit der Produkte. Vaude bietet einen umfassenden Reparaturservice an, der Kunden ermutigt, defekte Artikel reparieren zu lassen, anstatt sie wegzuwerfen. Zudem gibt es ein Second-Life-Programm, bei dem gebrauchte Produkte wieder aufbereitet und verkauft werden. Dies reduziert Abfall und schont Ressourcen.

Herausforderungen und Kritik

Trotz aller Erfolge ist der Weg der Nachhaltigkeit kein leichter. Insbesondere in der Outdoor-Branche, die stark umkämpft ist, stellt sich die Frage, ob Verbraucher bereit sind, für nachhaltig produzierte Produkte mehr zu bezahlen. Vaude hat hier eine klare Strategie: Transparenz. Kunden werden umfassend über die Herkunft und Herstellung der Produkte informiert, sodass sie den Mehrwert erkennen können.

Ein weiteres Problem sind die steigenden Anforderungen an Unternehmen durch Regularien und Konsumenten. Antje von Dewitz beschreibt diesen Druck jedoch als Chance: „Nur wenn wir mutig vorangehen, können wir zeigen, dass eine andere Art des Wirtschaftens möglich ist.“

Ein Vorbild für die Zukunft

Vaude hat unter der Führung von Antje von Dewitz bewiesen, dass wirtschaftlicher Erfolg und Gemeinwohl kein Widerspruch sind. Die Auszeichnung als „Entrepreneur des Jahres“ ist nicht nur eine Würdigung ihrer Arbeit, sondern auch ein Weckruf für andere Unternehmen. Gerade in Zeiten, in denen Themen wie Klimawandel und soziale Gerechtigkeit immer drängender werden, braucht es mutige Vorreiter.

Die Vaude-Geschichte zeigt, dass nachhaltige Unternehmensführung kein Hindernis, sondern ein Erfolgsfaktor sein kann. Unternehmen, die bereit sind, neue Wege zu gehen, können nicht nur die Welt verändern, sondern auch wirtschaftlich profitieren.


Quellenangaben

  1. Manager Magazin: „Die Entrepreneure des Jahres“ https://www.manager-magazin.de/unternehmen/die-entrepreneure-des-jahres-vaude-outdoor-ausruestung-a-6f17eb36-29cf-4f39-badd-2202c7093959
  2. Vaude Academy: https://academy.vaude.com/
  3. Nachhaltigkeitsbericht Vaude: „Gemeinwohl-Ökonomie“ https://nachhaltigkeitsbericht.vaude.com/gri/csr-standards/gemeinwohloekonomie.php
  4. YouTube-Interview mit Antje von Dewitz: https://www.youtube.com/watch?v=AumH_-VWDzI

 

 

guteideen.org © 2024 by Gute Ideen ist lizenziert unter CC BY 4.0 . Kurz erklärt: Nutze alles und verlinke auf diesen Artikel.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert